Die aus der Ukraine bekannte Politik des Westens, die alle Russland-freundlichen Verbindungen kappen will, scheint auf den Balkan überzugreifen.
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Als Friedensprojekt ist die Europäische Union entstanden - nun droht dieser Grundstein an einer neuen Balkankrise zu zerbröckeln. Während Mazedoniens Opposition nämlich alles daransetzt, die Regierung von Ministerpräsident Nikola Gruevski zu Fall zu bringen, fühlt man sich auf seltsame Weise an ähnliche Szenarien in der Ukraine erinnert. Auch dort handelt es sich um einen Staat, den man auf Biegen und Brechen "europareif" formen möchte. Die Eindämmungspolitik des Westens scheint jedenfalls auf den Balkan, den man von allen Russland-freundlichen Verbindungen "säubern" will, überzugreifen. Die Strategie ist allerdings höchst explosiv, denn mit einem grenzüberschreitenden Bürgerkrieg und einer innereuropäischen Flüchtlingskatastrophe würde die EU langfristig nicht fertig werden.
Wenn Politiker wie der österreichische Außenminister Sebastian Kurz nun von einer "Westbalkan-Strategie" und einem beabsichtigten EU-Beitritt von Mazedonien, Albanien und dem Kosovo sprechen, dann sollte man sich vorerst einmal ernsthaft fragen, wessen Ziele damit erfüllt werden. Sind es jene der Zivilbevölkerung, die weiterhin unter ethnischen Spannungen lebt und mit der Radikalisierung von Terroristen zu kämpfen hat, die zum Teil von Saudi-Arabien gesponsert werden? Sind es jene der Europäischen Union, die mit einer frühzeitigen Aufnahme krisengefährdeter Staaten zweifellos überfordert wäre? Oder sind es am Ende doch die Interessen der USA, denen ein Sturz aller Russland-freundlichen Regierungen gerade besonders am Herzen liegt, um zum Beispiel lukrative russische Erdgasprojekte wie "Turkish Stream" in Südosteuropa zu verhindern?
Der Weg, den Mazedonien einzuschlagen hat, wurde von der Administration des US-Präsidenten Barack Obama schon längst vorbestimmt. Im Juli 2014 stattete Victoria Nuland, die führende US-Diplomatin für Europa und Eurasien und Gattin des neokonservativen Politikberaters Robert Kagan, der Regierung von Gruevski einen Besuch in der mazedonischen Hauptstadt Skopje ab. Dort versicherte die Politikerin und Verfechterin des "Euromaidan", der ukrainischen Revolution, dass die Vergrößerung der Nato in Zukunft höchste Priorität hätte. Mazedonien verdiene, so Nuland wörtlich, seinen "rechtmäßigen Platz innerhalb der Nato und der Europäischen Union".
Mazedonien und Serbien hatten unter Berufung auf ihre ökonomische Lage nicht die Sanktionen gegen Russland unterstützt. Dieser Schritt kommt Gruevski und die mazedonische Regierung jetzt offensichtlich teuer zu stehen. Man erinnere sich an die Drohung des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush: "Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns." Es ist das Credo, das die Welt in den vergangenen Jahren immer stärker zu spüren bekommt. Es ist aber auch der Befehl, dem sich Europas Politiker immer bereitwilliger unterwerfen, indem sie sich auf die Wahrung demokratischer Werte berufen.
Eine neue "farbige Revolution" in Mazedonien, wie sie Russland befürchtet, ist nicht undenkbar. Dass dadurch die Lage am Balkan stabilisiert wird, darf stark angezweifelt werden - höchste Priorität hat ein konfliktfreies Europa wohl momentan nicht.