Für weltweit 4000 Probanden startet demnächst die Phase-III-Studie.
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Wien. In der Therapie von Osteoporose (Abnahme der Knochendichte im Alter) steht die Forschung vermutlich vor einem Meilenstein. Grundlage für die Entwicklung eines neuen Medikaments ist ein Gendefekt namens Van-Buchem-Syndrom, der zulässt, dass es zu einem übermäßigen Knochenwachstum kommt, erklärte Heinrich Resch, Leiter der zweiten Medizinischen Abteilung am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien, am Mittwoch vor Journalisten. Das Medikament geht ab Sommer in die Phase-III-Studie.
Für gewöhnlich sind jene 206 Knochen, über die ein Erwachsener verfügt, ständig Umbauprozessen ausgesetzt. Beim gesunden Menschen halten die knochenabbauenden Osteoklasten und die knochenaufbauenden Osteoblasten das Gleichgewicht. Im Alter kommt es zu einer Abnahme der Osteoblastenaktivität, was die Osteoporose zur Folge hat. Im schlimmsten Fall kann es zum Verlust der Knochenmineraldichte von bis zu zehn Prozent pro Jahr kommen.
Rund 740.000 Betroffene
In Österreich sind rund 740.000 Menschen, davon 620.000 Frauen, betroffen. Nur jeder fünfte wird mit entsprechenden Medikamenten behandelt. Bei einer schweren Osteoporose kommt es häufig zu Hüft-, Unterarm- oder Wirbelfrakturen.
Bei Patienten mit Van-Buchem-Syndrom hemmt jedoch ein Gendefekt die Produktion von Sklerostin, das die Knochenbildung unterdrückt. Bei Betroffenen kommt es zu besonders dicken Knochen, die nicht aufhören zu wachsen. Sichtbar wird dies an massiven Backen- und Kieferknochen und einer ausgeprägten Stirnpartie. Ein Van-Buchem-Schädel hat das dreifache Gewicht eines gesunden Schädels. Van Buchem verläuft fast immer ohne Komplikationen - im Gegensatz zur Sclerosteosis, einer ähnlichen Erkrankung mit schweren Verlaufsformen. Weltweit sind insgesamt rund 100 Fälle bekannt.
Das neue Medikament dürfte noch wirksamer sein als die bisherigen Präparate. In der nun abgeschlossenen Phase-II-Studie - bei den Barmherzigen Schwestern waren sechs Patienten involviert - sei es innerhalb von nur sechs Monaten zu einem Knochenwachstum von elf Prozent gekommen, betonte Studienkoordinator Christian Muschitz. Dabei wird der Hemmer gehemmt, und neuer Knochen kann entstehen.
Aufgrund der Erfolge und der guten Verträglichkeit geht die Forschungstätigkeit ab dem Sommer in die drei Jahre dauernde Phase-III-Studie über. Das Medikament ist jedoch nicht als Mittel zur Prävention gedacht, sondern wird nur bei weit fortgeschrittener Osteoporose eingesetzt, etwa bei postmenopausalen Frauen mit mindestens einer Wirbelkörper- oder Hüftfraktur. Weltweit sind für die Studie 4000 Teilnehmerinnen geplant, wobei keine Placebos zum Einsatz kommen, sondern alle Probandinnen unterschiedlich medikamentös behandelt werden. Ab sofort können sich Interessierte melden.
Darauf spezialisiert sind in Österreich drei Zentren: das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien, das Krankenhaus der Elisabethinen in Linz und die Medizinuni Graz. Frühestens in vier Jahren könnte ein Medikament verfügbar sein.