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Rückkoppelungseffekte wie die Meereis-Schmelze bringen die Erderwärmung erst recht in Fahrt.
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Schmilzt das Meereis, absorbiert das Wasser die warmen Sonnenstrahlen und die Temperatur steigt an. Taut der Permafrost auf, gelangen mehr Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre und die Temperatur steigt an. Sterben Wälder, wird der Boden zur CO2-Quelle und die Temperatur steigt an.
Insgesamt 27 solcher Effekte hat ein internationales Wissenschafterteam nun als Beschleuniger der globalen Erwärmung identifiziert. Einige dieser verstärkenden Rückkoppelungsschleifen sind in Klimamodellen möglicherweise nicht vollständig berücksichtigt, vermuten die Forscher. Im Fachblatt "One Earth" fordern sie einen noch schnelleren Rückgang der Emissionen, um die Auswirkungen zu begrenzen.
Rückkoppelungsmechanismen sind Prozesse, die die Auswirkungen unserer Treibhausgasemissionen entweder verstärken, also positiv sind, oder abschwächen können, also negativ sind. Positiv heißt die Rückkoppelung also nicht, weil sie gut ist, sondern weil sie auf die Erderwärmung verstärkend wirkt. Negative Effekte wirken wiederum Störungen entgegen. Also ein Domino-Effekt, bei dem eines zum anderen führt.
In der aktuellen Studie sind insgesamt 41 Klima-Rückkoppelungsschleifen aufgelistet, 27 davon identifizierten die Wissenschafter als Verstärker solcher Prozesse. Sie wirken wie Brandbeschleuniger.
Klimastress für den Wald
"Soweit wir wissen, ist dies die umfangreichste Liste von Klima-Rückkoppelungsschleifen, die es gibt, und nicht alle sind in den Klimamodellen vollständig berücksichtigt", erklärt Christopher Wolf vom College of Forestry der Oregon State University (OSU). "Viele der von uns untersuchten Rückkoppelungen verstärken die Erwärmung aufgrund ihrer Verbindung zu Treibhausgasemissionen erheblich."
Land und Wasser geraten zunehmend unter Klimastress. Wälder tun sich schwer, sich an die verändernden Klimabedingungen anzupassen. Dürren, Feuer, Insektenbefall, Pilze oder Krankheiten gehen ihnen zudem an die Substanz. Das auch dadurch verursachte Waldsterben und die damit einhergehende Erwärmung führen dazu, dass die Biomasse unter höherer Freisetzung von CO2 zersetzt wird. Der Wald wird damit von der Kohlenstoffsenke zur Kohlenstoffquelle. Tauende Permafrostböden sorgen dafür, dass die Treibhausgase CO2 und Methan vermehrt in die Atmosphäre gelangen.
Mehr klimaschädliche Gase in der Luft bedrohen die Ozeane. Denn die Menge an Kohlendioxid, die ins Meerwasser gerät, ist viel höher, als die Meeresökosysteme verkraften können. Das führt unter anderem zur Versauerung des Wassers mit weiteren Folgen.
Die Forschenden weisen auch darauf hin, dass manche dieser Prozesse mit Kipp-Punkten verbunden sind, die es erschweren, "die Auswirkungen rückgängig zu machen", so Mitautorin Jillian Gregg, Wissenschafterin bei Terrestrial Ecosystems Research Associates. Angesichts der vielen sich verstärkenden Rückkoppelungseffekten sprechen die Autoren zwei Empfehlungen aus.
In Hinblick auf die Klimaforschung sei ein rascher Übergang zu einer integrierten Erdsystemwissenschaft erforderlich, um biologische, soziale und andere Wechselwirkungen, die das Klima beeinflussen können, vollständig zu berücksichtigen. In Bezug auf die Klimapolitik sollten angesichts der aktuellen Klimakatastrophen und der langfristigen Katastrophenrisiken ehrgeizigere Pläne zur Emissionsreduzierung verfolgt werden, heißt es in der Studie.
Den Schaden begrenzen
Solche Pläne könnten den Einsatz von naturbasierten Lösungen beinhalten, um mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu binden. "Die strategische Einrichtung großer natürlicher Kohlenstoffsenken wie Wälder ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Kohlenstoffneutralität", betont der Ökologe William Ripple von der OSU. "Um diese Herausforderungen sowohl kurz- als auch langfristig zu bewältigen, sind transformative, sozial gerechte Veränderungen in den Bereichen globale Energie und Verkehr, kurzlebige Luftverschmutzung, Nahrungsmittelproduktion, Naturschutz und internationale Wirtschaft sowie eine auf Bildung und Gleichberechtigung basierende Bevölkerungspolitik erforderlich", so der Forscher.
"Es ist zu spät, um die Folgen des Klimawandels vollständig zu verhindern, aber wenn wir bald sinnvolle Maßnahmen ergreifen und dabei den menschlichen Grundbedürfnissen und der sozialen Gerechtigkeit Vorrang einräumen, könnte es immer noch möglich sein, den Schaden zu begrenzen", betont Ripple.
Denn selbst eine vergleichsweise bescheidene Erwärmung dürfte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Erde verschiedene Kipp-Punkte überschreitet, was zu großen Veränderungen im Klimasystem des Planeten führen und möglicherweise die verstärkenden Rückkoppelungen wiederum verstärken könnte. "Im schlimmsten Fall, wenn diese Effekte stark genug sind, ist das Ergebnis wahrscheinlich ein tragischer Klimawandel, der über alles hinausgeht, was der Mensch kontrollieren kann." Davon sollten wir besser verschont bleiben.