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"Wenn es nicht klappt, bin ich alleine schuld"

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meinigen

Politik
"Europa ist nicht die Mutter aller Probleme", sagt Renzi.
© reu/Gentile

Italiens neuer Premier Matteo Renzi | wirbt im Senat für Wirtschaftsreformen.


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Rom. Beinahe 70 Minuten hatte Matteo Renzi gesprochen. Am Ende sagte Italiens neuer Ministerpräsident einen Satz, den bisher noch kein Politiker im italienischen Parlament ausgesprochen haben dürfte. "Wenn wir diese Chance verpassen, dann bin ich alleine schuld." Man wird diese Aussage in einigen Monaten überprüfen müssen, wenn die Regierung Renzi an konkreten Reformschritten gemessen werden kann. Am Montag warb der 39-Jährige in seiner ersten Rede im italienischen Parlament um das Vertrauen des Senats. Das Ergebnis der Abstimmung stand am frühen Abend noch nicht fest. Am Dienstag wollte sich Renzi auch dem Abgeordnetenhaus stellen.

Als wenig konkret empfanden politische Beobachter in Rom die Ansprache Renzis. Der konservative Journalist und Berlusconi-Intimus Giuliano Ferrara hatte sogar die "schlechteste Rede überhaupt im italienischen Parlament" gehört. Renzi dürfte dieses Urteil als Kompliment auffassen. So sehr sieht sich der ehemalige Bürgermeister selbst als neue Figur im römischen Politbetrieb, dessen Protagonisten in den vergangenen Jahren vor allem eines bewiesen: dass sie schöne, mitreißende Sätze formulieren können, aber wenige Ergebnisse liefern. Renzi, so gab er in seiner Rede zu verstehen, will sich an konkreten Änderungen messen lassen. "Entweder beweisen wir den Mut zu radikalen Entscheidungen oder wir verlieren endgültig das Vertrauen", sagte der Premier. Italien müsse wieder ein "Land der Möglichkeiten" werden.

Der am Samstag vereidigte Ministerpräsident hatte bereits in den vergangenen Tagen mit der Ankündigung von Reformen im Monatsrhythmus hohe Erwartungen geschürt. Im Senat wiederholte er dieses Programm, schlug aber erstmals als Premier einen EU-freundlichen Ton an. "Wir müssen unsere Schulden nicht wegen Frau Merkel reduzieren, sondern aus Respekt gegenüber unseren Kindern", sagte Renzi. Italien sei selbst für die Lösung seiner Probleme verantwortlich. Renzi bekannte sich damit zu der von der EU geforderten Reform- und Konsolidierungspolitik. "Europa ist nicht die Mutter aller Probleme", sagte Renzi.

Als erste Etappe für die Überprüfung des Regierungsprogramms nannte Renzi den Beginn der italienischen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli. Bis dahin soll die Regierung die wichtigsten Reformen auf den Gebieten Arbeit, Steuern, öffentliche Verwaltung, Justiz und Verfassung auf den Weg gebracht haben. Renzi, der jüngste Ministerpräsident der italienischen Geschichte, versprach außerdem einen "radikalen Wandel der Wirtschaftspolitik". Insbesondere durch die Senkung der Steuern zur Förderung neuer Arbeitsplätze will Renzi "schnelle und konkrete Ergebnisse" erreichen. So sollen etwa die Lohnnebenkosten bis Mitte des Jahres um einen zweistelligen Wert gesenkt werden. Renzi kündigte zudem an, die Schulden der öffentlichen Hand bei den Unternehmen zu begleichen sowie Fonds zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen bereitzustellen. Noch im März sollen die ersten Gesetzesentwürfe, unter anderem zur Reform des Arbeitsmarktes, des Wahlrechts und der Verfassung im Parlament eingebracht werden.

Im Hinblick auf die Verfassungsänderungen sagte Renzi: "Ich möchte der letzte Ministerpräsident sein, der diese Aula um ihr Vertrauen bittet." Damit spielte er auf den Plan an, den Senat in seiner jetzigen Form aufzulösen und in eine untergeordnete Kammer umzuwandeln. In der Vergangenheit pendelten Gesetzesentwürfe in Italien monatelang zwischen den zwei Parlamentskammern hin und her, bevor sie in Kraft traten.