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"Das Ziel ist ein international vernetzter Wissenschaftsfonds".
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"Wiener Zeitung": Sie starten als Präsidentin des Wissenschaftsfonds FWF in einer Periode der Budget-Stagnation. Wie realistisch sind die Chancen auf Wachstum in der Grundlagenforschung?Pascale Ehrenfreund: Auch wenn die Ausgangsbedingungen derzeit nicht rosig sind, haben wir doch ab Herbst eine neue Regierung. Ich glaube, dass das nächste Jahr dynamisch werden wird: Es startet das neue EU-Rahmenprogramm "Horizon 2020" und parallel dazu muss sich die nationale Forschungsstrategie deutlich entwickeln. Beide Dokumente heben die Grundlagenforschung und ihre Relevanz für Technologie und Innovation eindeutig hervor. Alle Minister stehen hinter der Forschungsstrategie und es ist Zeit, zu handeln. Es heißt ja immer wieder, die Gelder sind vorhanden in Österreich. In diesem Sinn hoffen wir auch auf höhere nationale Forschungsmittel, denn man muss beginnen, das Programm des FWF, das sich mit viel Respekt durchgesetzt hat, zu stabilisieren.
Es gibt Empfehlungen, wonach sich die Grundlagenforschung gesellschaftlich stärker einbringen soll. Teilen Sie diesen Wunsch?
Mehr zu tun in der Beziehung zwischen Forschung und Gesellschaft würde Politiker motivieren, mehr Geld zu investieren, weil sie die Erfolge sehen, die sich aus der Forschung für den Innovationsstandort ergeben. Dazu empfiehlt der Forschungsrat, dass wir Wissenschafter Gesellschaft und Forschung verbinden mögen. Mit einem Konsens einer aktivierten wissenschaftlichen Community könnte man besser agieren, etwa wenn wir etwas unternehmen wollen, wenn Förderprogramme gekürzt werden.
Außerdem müssten wir mit der Bevölkerung mehr kommunizieren, denn die Leute interessieren sich für Wissenschaft, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt. Bei der Nasa etwa läuft derzeit eine Roadmap für unser Astrobiologie-Programm, das vor allem die junge Generation anspricht.
Der scheidende Präsident Christoph Kratky hat etwa neue Förderschienen für künstlerische und klinische Forschung gegründet. Welche Ideen wollen Sie am FWF vorantreiben?
Diese Programme muss man weiterfördern, sie sind sehr erfolgreich und man muss die Bewilligungsquote erhöhen. Ich selbst interessiere mich für interdisziplinäre Forschung. Es ist wichtig, die junge Generation von Forschern zu erziehen, im Team und interdisziplinär zu arbeiten, denn sie muss wirklich globale Herausforderungen bewältigen. Außerdem müssen wir schauen, wo wir national Spitze werden können.
Der FWF setzt sich zum Ziel, "heimischen Wissenschaftern optimale Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit internationalen KollegInnen zu ermöglichen." Ist das ausbaufähig?
Die Mobilitätsprogramme sind sehr respektiert, aber mehr Geld wäre gut, etwa für das "Dach"-Programm zwischen Deutschland, der Schweiz und Österreich. Mit diesen Ländern werden wir noch mehr zusammenarbeiten, ebenso wie mit dem Welt-Forschungsrat. Forschung wird internationaler und man muss alle Möglichkeiten ausschöpfen. Das Ziel ist ein international vernetzter FWF.
Wissenschaftlich identifizieren Sie organische Moleküle im Weltraum. Was darf man sich vorstellen?
Ich arbeite in der Kohlenstoff-Chemie auf Planeten-Oberflächen und Kleinkörpern, wie Asteroiden und deren Fragmente, die als Meteoriten auf der Erde vorkommen. Wir untersuchen im Labor, welche organischen Stoffe sich dort gebildet haben. Wir wissen vom Ursprung des Lebens, dass es Reservoirs von Grundstoffen gegeben hat, die dazu beigetragen haben, dass sich erste Zellen bilden. Und wir nehmen an, dass das Material von Kleinkörpern auch eine Rolle spielte beim Aufbau dieser ersten Zellen. Weiters suche ich nach Leben auf dem Mars.
Manche Chemiker sagen, es sei sinnlos, auf dem Mars nach Leben zu suchen, das so ist wie auf Erde, Leben könne nämlich unter anderen Umständen ganz anders aufgebaut sein. Wie sehen Sie es?
Die Kohlenstoff-Chemie hat sich schon sehr durchgesetzt, auch im Weltall, wo wir die gleichen organischen Verbindungen sehen. Jedoch suchen wir noch nicht nach Leben, denn es gibt keine Instrumente, die Zellen oder Mikroorganismen im All wirklich identifizieren können. Daher suchen wir eine Stufe davor nach organischen Molekülen, die uns zeigen, ob die Bedingungen für Leben vorhanden wären.
Würden solche Bedingungen künftiges Leben ermöglichen, oder auf Reste von altem Leben hindeuten?
Wir sind im Moment eindeutig noch mit der Suche nach verstorbenem Leben und organischen, einfachen Stoffen beschäftigt. Denn die Bedingungen auf dem Mars in seiner Frühphase vor vier Milliarden Jahren waren jenen heute auf der Erde ähnlich und wir suchen nach den Überresten. Lebende Organismen oder solche, die die Voraussetzung für künftiges Leben sind, könnten auf dem Mars nur in der Tiefe überlebt haben. Um das zu finden sind wir technologisch nicht weit genug.
Zur Person
Pascale Ehrenfreund, geboren 1960 in Wien, übernimmt im September die Präsidentschaft des Wissenschaftsfonds FWF, der 2012 rund 200 Millionen Euro an Fördervolumen bewilligte, von Christoph Kratky. Die Astrophysikerin studierte Astronomie und Biologie an der Universität Wien und Molekularbiologie in Salzburg. Ab 2003 war Ehrenfreund Professorin für Astrobiologie in Amsterdam, seit 2008 ist sie Professorin für Weltraumforschung an der George Washington University und leitende Wissenschafterin am Astrobiologischen Institut der US-Weltraumbehörde Nasa. Ihre Positionen behält sie zu 30 Prozent, um den Rest ihrer Zeit dem FWF zu widmen.