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Wien. Sind Journalisten die besseren Diplomaten? Nachdem die "Standard"-Redakteurin Gudrun Harrer als Sondergesandte und Geschäftsträgerin der Republik Österreich in den Irak geschickt wird, taucht diese Frage zunehmend auf.
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Harrer, eine Expertin des Nahen Ostens, wurde auch vom ORF bereits in Sachen Nahost zu Rate gezogen. Ihr Eintritt ins Außenministerium wird jedoch zum Imageproblem für die Berufs-Diplomatie. Deren Aufgabe wäre es eigentlich gewesen, die Kontakte aufzubauen, zu hegen und zu pflegen, die Frau Harrer offenbar hat und in den nächsten sechs Monaten der Republik zur Verfügung stellt.
Die Ernennung Harrers zur Geschäftsträgerin im Irak könnte als Eingeständnis des Außenministeriums interpretiert werden, dieser Hauptaufgabe nicht nachgekommen zu sein.
Der Chefredakteur des "Standards", Gerfried Sperl, verliert mit Harrer ausgerechnet zur Zeit der österreichischen EU-Präsidentschaft ein wertvolles Mitglied seines Teams. Dennoch nimmt er die Angelegenheit sportlich fair. Jetzt sei die Gelegenheit zu beweisen, dass Journalisten nicht nur sagen, was schlecht ist, sondern es auch einmal besser machen. Das Außenamt habe sich endlich den internationalen Usancen angenähert. In den USA sei es bereits seit langem gang und gäbe, dass Fachleute von außerhalb als Sondergesandte eingesetzt werden. Sperl fügt hinzu, dass Harrer nicht nur eine Expertin auf dem Gebiet ist, sondern auch das Risiko gewohnt und alleinstehend ist.
Offen bleibt, ob das Außenamt Familienväter besonders schont. Tatsache ist jedenfalls, dass die Diplomatie derzeit durch die EU-Präsidentschaft personell überaus strapaziert ist. Zu Dutzenden wurden pensionierte Diplomaten und etwa Trainees der Industriellenvereinigung befristet in Dienst gestellt, um diverse Aufgaben zu übernehmen.
So alles gut geht, kehrt die außenpolitische Ressortchefin in sechs Monaten zum "Standard" zurück. Bis dahin hat das Außenministerium Zeit, sich Gedanken über die Entwicklung von eigenem Knowhow in Sachen Irak zu machen.