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Wenn korrekt sein absurd wird

Von Stefan Beig

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"Stopp dem falschen Gerede vom Migrationshintergrund" nennt sich eine Petition von SOS Mitmensch, die auch die Grünen unterstützen: Das Wort "Migrationshintergrund" sei "um nichts besser als Ausländer oder Fremder oder Tschusch!" Es würde "Menschen auseinanderdividieren." In der Petition steht viel Richtiges - und Absurdes.

Richtig ist, dass der Begriff sehr weit ist: Migrationshintergrund hat, wer zugewandert ist oder zugereiste Eltern hat. Migrationserfahrung ist keine Voraussetzung. Dass das Wort daher häufig politisch missbraucht wird, soziale Probleme verdecken kann und vielen schon auf die Nerven geht, stimmt ebenfalls. Doch Missbrauch und Mängel rechtfertigen nicht seine Abschaffung.

Vielfalt verlangt Auseinandersetzung. Verschiedene Herkünfte sind nicht der einzige Aspekt von Vielfalt, aber einer, der artikulierbar bleiben muss. Selbst Rassismus gegen Menschen nicht-österreichischer Herkunft oder die geringe Anzahl von Menschen mit Migrationshintergrund in bestimmten Branchen können sonst nicht thematisiert werden.

Selbst Kritiker des Begriffs in der Wissenschaft räumen ein, dass das Unterscheidungsmerkmal Migrationshintergrund auch Erklärungsbeiträge liefern kann. Und andere Zugehörigkeiten - ob Beruf, Ideologie, Geschlecht - können je nach Kontext ebenfalls unterschiedlich relevant sein.

Manchmal ist unsere Sprache etwas unbeholfen. Doch die Petition reagiert darauf nicht mit alternativen Formulierungen. Hat dann am Ende Wittgenstein das letzte Wort: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen?"