US-Gericht erlaubt Kraftausdrücke gegen den Boss unter bestimmten Bedingungen.
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Wollten Sie Ihren Chef schon immer einmal beschimpfen? So richtig, von "A-loch" bis "Schwein" und mit allem, was dazu gehört? In den USA dürfen Sie das, solange Sie dabei sind, eine Gewerkschaft zu gründen. Darauf hat Hernan Perez vor kurzem von einem Bundesgericht in New York Brief und Siegel erhalten. 13 Jahre lang arbeitete Perez als Kellner für Pier Sixty, einen Veranstaltungsort, der bis zu 2000 Besucher fasst und sich im hippen New Yorker Stadtteil Chelsea befindet. Die Angestellten waren unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen und überlegten, eine Gewerkschaft zu gründen. An einem harten Arbeitstag im Oktober 2011 unterhielten sich die Mitarbeiter des Event-Unternehmens wieder einmal über das Thema. Sofort wurden Sie von ihrem ungehaltenen Chef aufgefordert, mit dem Schwätzen aufzuhören. Denn seit die Führungsetage Wind von den Gewerkschaftsgelüsten erhalten hatte, herrschte ein Sprechverbot im Betrieb, wie die "Huffington Post" berichtet. Perez überkam der Zorn und in einer Pause legt er über sein Smartphone auf Facebook eine Schimpftirade hin, in der er ein sexuelles Naheverhältnis zwischen seinem Boss und dessen Mutter unterstellte ("nasty motherfucker") und die liebestollen Andeutungen auf des Chefs ganze Familie ausweitete ("Fuck his mother and his entire fucking family!") Gleichzeitig forderte er: "Sagt Ja zur Gewerkschaft!" Zwei Tage später wurde diese tatsächlich erfolgreich gegründet und Perez wurde bewusst, dass seine Posts öffentlich einsehbar waren und nicht lediglich für seine Freunde (wie er angenommen hatte). Also löschte er die Beschimpfungen - zu spät, wie sich zeigte. Er wurde ihretwegen entlassen, weil sie die Firma bereits gesehen hatte. Doch so einfach gibt ein New Yorker nicht auf. Er klagte gegen seine Entlassung und erhielt vor Gericht Recht. Das Unternehmen berief und vergangene Woche bestätigte ein Drei-Richter-Senat, das Urteil. Die Beschimpfungen seien nicht direkt auf die Familie des Chefs gerichtet gewesen, sondern in den Kontext einer hitzigen Debatte über die Gewerkschaftsgründung zu setzen. Auf diesem Gebiet dürfe eine Arbeitskampf-Rede per Gesetz auch schon einmal härter, "vulgär" und "unangemessen" ausfallen. Zudem stellte sich heraus, dass der rauhe Umgangston offenbar Teil des normalen Betriebsklimas war. In den vergangenen sechs Jahren des Unternehmens hatte es jedoch lediglich fünf Verwarnungen wegen Beleidigungen gegeben, wie die "Huffington Post" berichtet. Bestraft, geschweige denn entlassen wurde deshalb aber nie jemand, wie die Richter feststellten. Auch die Führungsriege war kein Kind von Traurigkeit, die ebenfalls mit Worten wie "motherfucker" oder rhetorischen Fragen nach der Intelligenz der Angestellten ("are you fucking stupid?") um sich warf. Perez befinde sich daher noch innerhalb der (äußersten) Grenze des Schutzes der freien Meinungsäußerung. Der Sieg vor Gericht ist nicht nur für Hernan Perez erfreulich, der nun einer Schadenersatzzahlung wegen ungerechtfertigter Kündigung entgegenblickt, sondern hat auch Vorbildwirkung für ähnlich gelagerte Fälle. Und wer weiß: Vielleicht ist dies der Stein, der einen Gewerkschaftsgründungsboom in den USA ins Rollen bringt.