Das Spielfieber ist ausgebrochen. Brettspielbasierte Simulationen bringen Topmanager voll in Fahrt. Der Nebeneffekt: 75% der in Simulationen vermittelten Inhalte werden - laut National Training Laboratories - dauerhaft behalten. Herkömmliche Lernmethoden erzielen dagegen höchstens 30%.
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Die Situation mag auf den ersten Blick grotesk erscheinen: Im Konferenzsaal eines luxuriösen Wiener Innenstadthotels haben sich zwölf hochrangige Manager versammelt. Thema des Seminars: betriebswirtschaftliche Unternehmensführung.
Doch statt eines Laptops mit der klassischen Powerpointpräsentation packen die beiden Seminarleiter Spielbretter, bunte "Mensch ärgere dich nicht"-Figuren und durchsichtige Behälter mit Euromünzen aus. Mit diesen Utensilien werden die Führungskräfte in den nächsten beiden Tagen BWL pauken. Sechs dreieckige Spielbretter aus Plexiglas ergeben ein sechseckiges Spielfeld auf dem das Unternehmen abgebildet ist. Verunsicherte Blicke, ungläubiges Staunen, Stille. "Business Simulation" heißt das unkonventionelle Managertraining, das in der Unternehmenswelt Aufsehen erregt.
Im Konferenzraum ist die Stille mittlerweile fröhlicher Betriebsamkeit gewichen. Vier Management-Teams aus jeweils drei Personen sind gebildet und diskutieren heftig über den Ankauf neuer Produktionsmaschinen. Betriebliche Tätigkeiten, von der Produktion über das Controlling bis zum Verkauf und Marketing, werden realitätsnah simuliert. "Der Lernerfolg ist schneller und nachhaltiger, wenn Menschen selbst aktiv werden und Entscheidungen treffen, anstatt sich nur berieseln zu lassen", beschreibt Marc Sniukas, Geschäftsführer und Trainer von 5th Mind Training & Consulting GmbH, die Idee hinter den brettspielbasierten Simulationen.
Der Workshop setzt sich aus Spielrunden mit Jahresabschlüssen, Gruppenarbeiten, Reflexionsrunden und Teampräsentationen zusammen. Am Ende jedes Spieljahres wird abgerechnet — eine Gewinn- und Verlustrechnung, eine Bilanz erstellt und Kennzahlen errechnet. Nicht bei allen simulierten Unternehmen ist das Resultat optimal. So sind etwa die Ausgaben zu hoch und die Ressourcen nicht gut ausgelastet. Die Manager sollen im zweiten Jahr die Situation verbessern. Konkrete Vorschläge sind gefragt. Die Trainer beraten, geben aber keine direkten Anweisungen. "Im Vergleich mit anderen Lernmethoden wird hier theoretisches Wissen durch den Realitätsbezug in praktisches Können transformiert," sagt Martin Werdenich, zweiter Geschäftsführer von 5th Mind. Spielerisch lernen die Teilnehmer, worauf es im Unternehmen ankommt, was es heißt eine Firma zu führen, betriebliche Prozesse besser zu verstehen und sich mit den Kollegen auf eine gemeinsame Position zu einigen.
Learning business by doing business
Mit sichtlicher Freude, aber etwas unbeholfen, tippt ein Teilnehmer Zahlen in seinen Taschenrechner und rät seinen Mitspielern, mehr Mitarbeiter aufzunehmen. Diskussionen bis die Marketingverantwortliche zwei rote "Mensch ärgere dich nicht"-Plastikmännchen auf das gegenüberliegende Spielfeld schiebt und dafür zwei Euro bezahlt. "Die Teilnehmer sehen, wofür das Firmengeld investiert und wie es eingenommen wird, indem sie mit realem Geld hantieren", erklärt Werdenich. Die Folgen jeder Management-Handlung wirken sich sofort auf das gesamte Unternehmen aus. Einer der Seminarteilnehmer ist Informatiker, hat BWL nie gelernt. Doch jetzt in seiner neuen Position als Abteilungsleiter benötigt er Management-Know-how. "Unternehmenssimulationen eignen sich für Nachwuchs-Führungskräfte, die rasch und nachhaltig BWL-Kenntnisse erwerben oder auffrischen wollen", bestätigt Sniukas.
Die meisten Manager reagieren nach anfänglicher Skepsis positiv auf die Brettspiel-Simulationen. Unter anderen haben bisher renommierte Unternehmen, wie BP, Cisco, Ford, Hewlett Packard, Nestlé, Siemens und Unilever, ihre Mitarbeiter mit den bunten Männchen spielen lassen.
In der Chefetage ist inzwischen das Spielfieber ausgebrochen. Wo die Teilnehmer früher mehr oder weniger engagiert mitgedacht hatten, kommen sie jetzt voll in Fahrt. Es wird gerechnet, die Spielfiguren ausgetauscht, gekauft, verkauft und fusioniert. Begriffe wie Working Capital, Cash Flow, Break-Even-Point oder Deckungsbeitrag fallen. Theoretische Fremdworte sind zu praktikablem Know-how geworden. "Das Durchspielen mehrerer Jahre und die Reflexion mit dem Trainer vertieft das Wissen nachhaltiger als jeder Frontalunterricht in herkömmlichen Seminaren", bestätigt eine Teilnehmerin.
Informationen unter http://www.5thmind.at