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Wenn Maschinen Kunst werten

Von Bernhard Baumgartner

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Wann ist Kunst erfolgreich, was macht einen Hit zu einem Hit? Forscher der Universität Bristol haben nun ein Programm entwickelt, das behauptet, voraussagen zu können, ob ein Song Chancen auf einen der ersten Plätze in den britischen Charts hat. Mit 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit liegen sie dabei richtig, heißt es in der Studie. Das ist freilich bei einer Fragestellung, die nur zwei Antwortmöglichkeiten hat, nicht wahnsinnig viel. Doch wir wollen uns hier nicht auf Spitzfindigkeiten einlassen, denn das geht am eigentlichen Kern des Themas vorbei.

Denn die Frage ist: Will man das überhaupt wissen? Werden dann Songs nur mehr veröffentlicht, wenn ihr statistisches Hit-Potenzial hoch ist? Eine Art Präimplantationsdiagnostik für die Kunst also? Auf den Markt kommt nur, was unmittelbaren Erfolg verspricht. Und was ist mit dem Rest - der verschwindet in der Schublade? Die Formel wurde zudem natürlich mit historischem Material gefunden, sprich sie kann gut feststellen, was einmal gut gelaufen ist. Das heißt aber bekanntlich nicht, dass man diesen Geschmack in die Zukunft extrapolieren kann.

Zudem ist es fatal, den Wert von Kunst vom aktuellen Geschmack der jeweiligen Zeit abhängig zu machen, wie ein Blick auf die Malerei zeigt. Kaum jemand wollte Bilder von Vermeer oder Van Gogh zu deren Zeit kaufen, heute hat sich diese Ansicht bekanntlich geändert. Die Musik von Händel war Jahrhunderte lang irrelevant, wurde erst spät wiederentdeckt und erfreut sich nun großer Beliebtheit. Das kann kein Programm vorhersehen - und soll es wohl auch nicht.