Mit Zugeständnis an Wiener Linien haben sich Stadt-Grüne nun auch Feinde in der eigenen Partei gemacht. Im Streit um die Mariahilfer Straße ist kein Ende in Sicht - eine Analyse.
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Wien. Bis vor kurzem konnte die Partei noch auf sie zählen. Schließlich stand ein Großteil der Anrainer hinter dem Projekt der Grünen, das eine Verkehrsberuhigung für die Mariahilfer Straße vorsieht. Nun scheint auch diese letzte große Stütze für Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou wegzubrechen. Das ist bitter für eine Partei, die aus der Bürgerbewegung entstanden ist und die nun den Wiener Linien, auf Kosten der Anrainer nachgeben musste. Dass es bei der Umgestaltung der Mariahilfer Straße Gegenwind etwa von der Opposition geben würde, war von Anfang klar. Doch mittlerweile ist das Prestigeprojekt der Grünen zu einem unberechenbaren Selbstläufer geworden.
Dabei wurden die Spielregeln von Anfang festgelegt. Nach Bürgerbeteiligungsprozessen und der Einbindung von Bezirken und Wirtschaftskammer kündigte die Vizebürgermeisterin im März dieses Jahres die Probephase für die Shoppingmeile an. Am Ende des Testlaufs sollte dann über Veränderungen beziehungsweise über das Projekt abgestimmt werden.
Taktischer Fehlschlag
Doch bereits zwei Tage vor dem Start am 16. August nimmt das Unheil seinen Lauf. Der Betriebsrat der Wiener Linien droht mit der Bestreikung des 13A wegen befürchteter Unfälle. Ein Abrücken von diesem Standpunkt wird von vornhinein verweigert. Der Zeitpunkt für die Testphase nur wenige Wochen vor der Nationalratswahl erweist sich immer mehr als taktischer Fehlschlag. Bei jeder Kleinigkeit steht das Projekt - meist negativ - fett in den Schlagzeilen, die Oppositionsparteien überbieten sich mit Attacken gegen die Grünen. Und auch der lange Zeit stille Koalitionspartner SPÖ meldet sich in einem Interview mit der "Wiener Zeitung", in Form von Bürgermeister Michael Häupl zu Wort, stellt sich auf die Seite der Wiener Linien und fordert eine umgehende Änderung für die Busroute sowie ein Fahrverbot für Radfahrer und die Aufhebung von Querungsverboten auf der Einkaufsstraße.
Das Schlechtmachen des Projektes und die Anfeindungen gegen die Partei übertragen sich auch auf die Wähler, die - abgesehen von den Anrainern - den Grünen bei den Nationalratswahlen ein weitaus schlechteres Ergebnis als erwartet bescheren. Doch auch nach der Wahl kehrt keine Ruhe ein. Das unglückliche Viertel in der Wiener SPÖ - laut Häupl seien 25 Prozent in der Partei gegen eine Koalition mit den Grünen - brüskiert Vassilakou, indem sie mit eigenen Forderungen zur Umgestaltung der Mariahilfer Straße an die Öffentlichkeit geht, die teils konträr zu Vassilakous Plänen stehen. Obwohl Häupl mit der Vorgehensweise des unglücklichen Viertels alles andere als erfreut ist, muss er nun den Druck auf seinen Koalitionspartner erhöhen. Denn angesichts der SPÖ-Probleme mit der Mobilisierung ihrer Wählerschaft ist eine gespaltene Partei das Letzte, was Häupl zwei Jahre vor der nächsten Gemeinderatswahl brauchen kann.
Grüne gegen Grüne
Aber nicht nur bei den Roten gibt es Risse in der Partei, mittlerweile sind auch die Grünen davon betroffen. Nach dem Zugeständnis gegenüber den Wiener Linien bei der 13A-Route stellten sich die Bezirksgrünen in Mariahilf gegen Vassilakou und auf die Seite der protestierenden Anrainer. Auch wenn man im Büro Vassilakou kalmiert, dass es nicht ungewöhnlich sei, wenn in Bezirken andere Meinungen als in der Stadtpartei vertreten werden, so kann man nicht von der Hand weisen, dass man sich nun ein weiteres Problem - noch dazu innerhalb der Partei - aufgehalst hat.
Es sollte das Vorzeigeprojekt der Grünen werden. Man wollte zeigen, dass die Zeit, in der die Politik drüberfährt und die Bürger nicht mit einbezogen werden, vorbei ist. Doch möglicherweise ist direkte Demokratie kein Werkzeug für Stadtplanung. Durch die Zugeständnisse während der Testphase wurde außerdem ein Stein ins Rollen gebracht, der sich nicht mehr aufhalten lässt. Weil was die einen - noch dazu ohne Abstimmung - bekommen, wollen auch alle anderen.
Die Abstimmung über das Projekt soll im Frühjahr 2014 stattfinden. Wenn die Bürger dagegen stimmen, dann war der ganze Aufwand umsonst.