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Praktisch alle einschlägigen Untersuchungen ergeben den gleichen Befund: dass nämlich Fremdenfeindlichkeit und Rassismus heute in Österreich um nichts mehr oder weniger verbreitet sind als in anderen Staaten der EU.
Selbst Beate Winkler, die in diesen Dingen durchaus kritische Chefin der "European Monitoring Commission on Racism and Xenophobia", einer in Wien ansässigen einschlägigen EU-Behörde, meint: "Österreich ist sicher nicht fremdenfeindlicher als andere europäische Länder." Nicht, dass man darauf besonders stolz sein könnte - aber kollektive Selbstgeisselung erscheint das auch nicht gerade zu erfordern.
Warum aber erklären dann eine Reihe angesehener internationaler Medien Österreich jetzt, aus Anlass des Streits um den türkischen EU-Beitritt, wieder einmal zu Europas Xenophobie-Zentrale? Warum orten sie, wie etwa jüngst die Hamburger "Zeit", hierzulande gar einen ". . . xenophoben Ausnahmezustand, der sich mittlerweile als Normalität gefällt"; warum behauptet selbst das "Wall-Street-Journal", hier fiel aus jedem Kasten, den man öffnet, ein "Nazi-Skelett"?
Ein nicht unwesentlicher Teil der Erklärung könnte ganz banalerweise sein: weil jene Journalisten, die in internationalen Medien über Österreich berichten, in vielen Fällen das reflektieren, was sie in bestimmten österreichischen Medien über Österreich gelesen haben.
Und was da, nicht zu letzt von einem Teil der "Qualitätsmedien" in den vergangenen Jahren beschrieben und kommentiert worden ist, war nicht selten ein Land, das knapp vor einer Machtübernahme der Nazis stand; geradezu geschüttelt vor fiebrigem Fremdenhass und dem dringenden Bedürfnis, endlich wieder Lager bauen zu dürfen. Kurz: "Die Schande Europas" (ein Wiener Nachrichtenmagazin im Jahr 2000 in symptomatischer Tonalität).
Gemessen an der Getreulichkeit der Wiedergabe entsteht so ein Österreich-Bild, das sozusagen mehr von Munch an sich hat als von Canaletto.
Gezeichnet wird dieses verzerrte Bild manchmal aus durchaus nachvollziehbarer Intention: die Kampls und Gudenusse der Republik für symptomatisch zu halten, mag unrichtig sein, ist aber deshalb noch nicht unredlich.
Der eine oder andere der Zerrbild-Maler kann dies freilich nicht für sich in Anspruch nehmen: denn Österreich so darzustellen, wie es uns jetzt aus den internationalen Medien auf den Kopf fällt, ist für so manchen publizierenden Intellektuellen zu einem unverzichtbaren Betriebsmittel geworden wie Holz für den Tischler.
Und sei es auch nur aus Gründen der Aufmerksamkeitsökonomie: mit der Behauptung, Österreich sei nicht im "Xenophoben Ausnahmenzustand", sondern "nicht fremdenfeindlicher als andere europäische Länder" lässt sich ja nicht wirklich eine halbe Seite im deutschen Feuilleton bestreiten.
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