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Wenn Pflege zur Armutsfalle wird

Von Christoph Rella

Politik

Volkshilfe fordert mehr Geld für Pflege. | "Pflegebedürftige verarmen im Heim." | Minister will bei Ländern ansetzen. | Wien. Inwieweit sind Pflegebedürftige von Armut betroffen? Dringenden Handlungsbedarf für den Pflegebereich in Österreich sieht nun die Volkshilfe. Wie aus einer von der Hilfsorganisation gemeinsam mit dem Sozialministerium erarbeiteten Expertise zum Thema hervorgeht, sind Personen mit geringerer Bildung und mit niedrigerem Einkommen stärker von Krankheit und Pflegebedürftigkeit betroffen als Akademiker und Reiche. Ebenfalls ausschlaggebend ist laut Studie der Grad der Bildung: Je geringer die Bildung, desto höher das Risiko, zu einem Pflegefall zu werden und in die Armut abzurutschen.


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"Eine weitere Folge ist, dass diese Menschen eine geringere Lebenserwartung haben", erklärte Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger anlässlich der Präsentation am Dienstag. Was wiederum heftige Auswirkungen auf den Pflegebedarf habe: Männer unterer Einkommensschichten seien im Schnitt 2,2 Jahre und Frauen 2,8 Jahre länger gesundheitlich so sehr eingeschränkt, dass sie auf Pflege und Betreuung angewiesen sind, meinte Fenninger. Ihm ist vor allem die Tatsache ein Dorn im Auge, dass das Pflegegeld bei weitem nicht die Kosten der Betroffenen decke, sondern lediglich einen "Zuschuss" darstelle. Auch seien pflegende Angehörige vom Armutsrisiko betroffen: Demnach könnten Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen zum Großteil die Kosten nicht mehr aus eigenen Mitteln bestreiten. "Diese Personen rutschen dann in die Sozialhilfe ab", sagte er.

Nur neun Prozent zahlen

Demnach können laut Fenninger von den rund 70.000 Bewohnern in Alten- und Pflegeheimen nur 6000 für die Kosten selbst aufkommen, alle übrigen beziehen Sozialhilfe. Von der eigenen Pension bliebe damit nichts mehr übrig, erklärte er und wiederholte einmal mehr die Forderung der Volkshilfe nach einer Valorisierung des Pflegegeldes.

Keine Freude mit der Regelung, dass Pflegebedürftige bei Eintritt ins Heim ihr gesamtes Vermögen einsetzen müssen, hat auch Peter Hacker vom Fonds Soziales Wien. "Wie kommt es, dass diese Leute quasi eine hundertprozentige Vermögenssteuer für ihre Pflege leisten müssen? Wenn, dann muss diese Regelung auch für jene gelten, die nicht in einem Heim leben", forderte der Geschäftsführer.

Zwei Milliarden für 2011

Die Gleichbehandlung aufgehoben sehen will Hacker wiederum beim Bezug des Pflegegeldes. Dieses solle je nach Einkommen sozial gestaffelt ausbezahlt werden, meinte er. Weiters dürften pflegebedürftige Menschen, für die eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause - etwa aus Platzgründen - nicht in Frage kommt, nicht "in das Pflegeheim getrieben" werden. Immerhin sei es besser und billiger, die Menschen von den eigenen Angehörigen pflegen zu lassen, wobei hier die Unterstützung für die Pflegenden laut Hacker noch ausbaufähig wäre. Den Angehörigen droht sonst das Risiko, aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen zu werden.

Geht es nach Sozialminister Rudolf Hundstorfer, so kann das Armutsrisiko von Pflegebedürftigen mit Geld allein nicht gelöst werden. "Wenn ich heute das Pflegegeld um 5 Prozent erhöhen würde, würde das 5 Minuten Applaus bringen - in der 6. Minute aber wieder die Kritiker auf den Plan rufen, die zu Recht sagen: Das passt nicht." Sein Zugang: Ausbau der Sachleistungen, Einrichtung des Pflegefonds laut Koalitionsabkommen sowie die Vereinheitlichung der Landespflegeleistungen. So sei für ihn unverständlich, warum etwa die Zuzahlungen für eine mobile Krankenschwester in einem Bundesland 50 Prozent und in einem anderen gerade einmal 5 Prozent betragen, erklärte Hundstorfer. "Dabei handelt es sich doch um dieselbe Leistung."

Unbestritten ist für den Minister die Tatsache, dass die Kosten für Pflegedienste spätestens in zehn Jahren explodieren werden. "Wir haben bereits einen jährlichen Kostenzuwachs von 3 Prozent", sagte er und fügte hinzu: "Derzeit wenden wir schon mehr als zwei Milliarden Euro jährlich für die Pflegebedürftigen auf. Wer wird das in Zukunft einmal alles bewältigen?"