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Zuvor unbekannte Reaktion von Chromgelb mit Sonnenlicht. | Forscher hoffen, die Gemälde in ursprünglichen Zustand zu versetzen. | Antwerpen/Wien. Farben sind ein sinnliches Erlebnis. Oder sie können analytisch als Nummern in Farbsystemen verstanden werden. Oder als Kombination von Pigment und Licht. Doch was geschieht mit Pigmenten, die mit der Zeit ihre Farbe verändern?
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Ein internationales Forscherteam ist einer bisher unbekannten chemischen Reaktion in den Gemälden von Vincent van Gogh auf die Spur gekommen. Die Wissenschafter haben herausgefunden, warum besonders die Farbe Chromgelb, die der niederländische Künstler (1853-1890) in vielen seiner Bilder verwendet hat, mit der Zeit nachdunkelt. Eine komplexe chemische Umwandlung lässt das leuchtend gelbe Chrom allmählich einen matten bräunlichen Ton annehmen. Auslöser sei das UV-Licht der Sonne, berichten die Forscher der Zeitschrift "Analytical Chemistry".
Synthetische Farbstoffe
Dass Gemälde lichtempfindlich sind, ist an sich nicht neu. Nicht umsonst investieren Museen Vermögen in die richtige Beleuchtung und stellen wertvolle Kunstwerke nur für eine bestimmte Dauer aus. "Grundsätzlich ist UV-Licht schädlich. Die Frage ist aber, was bei dessen Einstrahlung mit der Bildoberfläche passiert. Wenn man bei einem speziellen Phänomen wie Van Goghs Farben draufkommt, woran genau es liegt, dann ist das ein Fortschritt", betont Wolfgang Baatz, Vorstand des Instituts für Konservierung und Restaurierung der Akademie der Bildenden Künste in Wien
Van Goghs leuchtende Farbwahl hat Kunstgeschichte gemacht. Ermöglicht wurden die Farben durch neue Methoden der Pigmentherstellung. "Die mineralischen Pigmente, die bis zum Barock verwendet wurden, sind relativ stabil. Jedoch ist die Palette begrenzt. Die Entwicklung organisch-synthetischer Farbstoffe brachte ein größeres Farbsystem. Aber man wusste, dass sie sich unter dem Einfluss von Sonnenstrahlen verändern können", erklärt Robert Linke, Chemiker am Bundesdenkmalamt in Wien
Eine von Van Goghs Lieblingsfarben war Chromgelb (Bleichromat), dessen Pigment 1809 entdeckt worden war. Van Gogh benutzte es ab 1886, um die satten Farben Südfrankreichs in seinen Gemälden noch zu übertreffen, unter anderem in seinen berühmten Sonnenblumen.
Chromgelb ist ein mineralisches Pigment, das weniger stabil ist als andere. Dass es giftig war und unter dem Einfluss von Sonnenstrahlen dunkler werden kann, war bereits knapp nach seiner Entdeckung bekannt. Es sind jedoch nicht alle Gemälde aus dieser Zeit betroffen. Auch der Grad der Verfärbung sei unterschiedlich, berichten die Forscher um Letizia Monico.
Die Wissenschafter ließen Ölfarbe aus Farbtuben aus dem 19. Jahrhundert rund 500 Stunden lang unter UV-Licht künstlich altern. Von den drei historischen Farbtuben zeigte eine die typische bräunliche Verfärbung.
Röntgenanalysen am Deutschen Elektronen-Synchrotron in Hamburg und an der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle in Grenoble zeigten die zuvor unbekannte chemische Reaktion. Mit Hilfe eines mikroskopisch kleinen Röntgenstrahls entdeckten die Forscher die Verfärbung in der Schicht, wo Farbe und Firnis zusammentreffen. In dieser extrem dünnen Schicht von nur einigen Mikrometern kommt Sonnenlicht mit getrockneter Ölfarbe in Berührung und löst die Reaktion aus, die Chromgelb in braune Pigmente verwandelt und so die ursprüngliche Farbkomposition verändert. Durch die UV-Strahlen reduziert sich die Wertigkeit des Blei-Chromats von vierwertig auf dreiwertig im Farbpigment.
In einem zweiten Schritt überprüften die Forscher dies anhand zweier Gemälde van Goghs: "Seineufer" von 1887 und "Blick auf Arles mit Schwertlilien" von 1888, die beide dem Van Gogh Museum in Amsterdam gehören. Den Gemälden wurden winzige chromgelbe Farbproben entnommen. Mikroskopische Analysen zeigten die gleiche Reaktion.
Mischung von weiß und gelb
Zudem war mehr dreiwertiges Blei-Chromat in der Umgebung von Barium- und Schwefelverbindungen zu finden als auf anderen Stellen des Gemäldes. Die Forscher vermuten daher, dass van Goghs gelegentliche Mischung von Weiß und Gelb im Pigment der Grund für die Verfärbung des Chromgelbs sein könnte.
Die nächsten Schritte stehen fest. "Wir wollen verstehen, welche Bedingungen die Reduktion des Chroms begünstigen und ob es Hoffnung gibt, die Pigmente in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen", sagt Koen Janssens, Chemiker an der Universität Antwerpen Und Ella Hendriks vom van Gogh Museum betont: "Die innovativen Untersuchungsmethoden sind wichtig zum Verständnis, wie die Bilder konserviert werden müssen."
Allerdings wäre das noch eine Menge Arbeit. "Um die Bilder in ihre ursprüngliche Farbenpracht zu versetzen, müsste eine chemische Umwandlungsmöglichkeit gefunden werden", betont Linke vom Bundesdenkmalamt. Die nur dann angewandt werden könne, wenn die Restauratoren die Firnis (die ihrerseits mit der Zeit nachdunkelt) abnehmen und erst nach erfolgter chemischer Umwandlung neu auftragen.