Index listet fragile Staaten auf. | Afrika ist Zentrum instabiler Länder. | New York/London/Wien. Geschäfte werden geplündert, die Verbrecher, die von den Überresten einer kaum intakten Exekutive einer ebenso unzureichenden Rechtsprechung zugeführt werden sollen, bleiben unbescholten. Die Regierung und deren Institutionen, die gesamte Verwaltung, können den wesentlichsten Aufgaben nicht mehr nachkommen, das Militär hat sich verselbständigt. Chaos, Mord, Raub und Brandschatzung stehen auf der Tagesordnung. Schulisch ausgedrückt: Nicht Genügend. Ein klassischer Fall eines sogenannten Failed States. Sie sind keine negative Utopie, sondern Realität, vor allem in afrikanischen Dritte Welt-Ländern.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Regime werden von selbst ernannten Herrschern regiert und zur Abschöpfung missbraucht. Sicherheitsapparate sind aufgebläht und der Aufbau einer funktionierenden Verwaltung nicht energisch genug vorangetrieben worden. Ein Großteil der Finanzen wird dabei für Personal und den laufenden Betrieb eingesetzt, für Entwicklung aus eigenen Quellen bleibt nichts übrig. Die Vernachlässigung der eigenen Entwicklungsaufgaben und fehlende Verwaltungskompetenzen führen dazu, dass auch fremde Entwicklungsgelder nicht sachgemäß bearbeitet werden.
Von den armen Bevölkerungsschichten können keine Steuern eingetrieben werden und das Einkommen von nur wenigen kann oft wegen der schlecht organisierten Finanzverwaltung nur lückenhaft erfasst werden. Ausländische Unternehmen können meist Steuervergünstigungen aushandeln - ein weiterer Einnahmenausfall. Das Ausweichen auf andere Steuerquellen ist mit entwicklungspolitischen Nachteilen verbunden. Daraus resultierende indirekte Steuern auf lebensnotwendige Produkte belasten die Armen, hohe Zölle führen meist zu erhöhtem Schmuggel über schwer zu überwachende Grenzen. Schwache Staaten haben zumeist auch einen Mangel an qualifiziertem Verwaltungspersonal. Selbst wenn genügend Ausgebildete vorhanden wären, werden Besetzungen häufig nach Beziehungen entschieden statt nach Können.
Der FFP (Fund for Peace) - ein Think tank in Washington - hat kürzlich den "Failed States Index 2006" herausgebracht. Darin werden 60 Dritte Welt-Länder als instabil bezeichnet. Der Index hätte einen Haken, heißt es. "Er ist vereinfachend und populistisch, wie es dem komplexen Thema nicht gerecht werden kann", erklärt Politologe Joost van der Zwan von der London School of Economics im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das Scheitern eines Staates sei ein schleichender Prozess, dem man mit einer Momentaufnahme und einem Listenplatz nicht gerecht werden könne. So sei es Tansania gelungen, einen anderen Weg einzuschlagen als der "gescheiterte" Kongo - ein gewählter Präsident, ein Parlament und eine gewisse Autonomie in der Afrikanischen Union. "Das ändert nichts daran, dass der Staat weiter arm ist. Aber es zeigt, dass ein Staat letztlich nie wirklich scheitert. Schließlich leben dort Menschen", erklärt er.
Jaya Mohan, UN-Sprecherin in Wien, ist vorsichtig: "Als Vereinte Nationen versuchen wir den Begriff Failed States zu vermeiden, ganz darum herum kommen wir aber nicht".
Organisationen wie UNO oder Rotes Kreuz beklagen den Streit darüber, was als gescheiterter Staat zu bezeichnen wäre. Nur eine genaue Definition würde ein rechtzeitiges Einschreiten erleichtern, erklärte ein Rot-Kreuz-Sprecher: "Ohne internationale und gesicherte Kriterien ist rechtzeitiges und effizientes Handeln nicht möglich".
Lesen Sie auch:
Chaos und Bürgerkrieg - Musterbeispiel Sudan