Machtmenschen von altem Schrot und Korn finden Kleinstaaten wie Österreich schon länger nicht mehr sexy. Gut so.
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Das Denken vieler kluger Menschen kreist um die Frage, wie der heimischen Politik neue Dynamik eingehaucht werden kann. Dem liegt die wenig überraschende Überzeugung zugrunde, dass in Österreichs Politik zumeist die beharrenden Kräfte am längeren Hebel sitzen. Dieses Los teilt Österreich mit fast allen etablierten und saturierten Wohlfahrtsstaaten westlichen Zuschnitts (Stichwort Vetokratie), während vor allem in Demokratien jüngeren Zuschnitts ständige Veränderungen die Entwicklung stabiler Strukturen behindern.
Nun plädiert die "Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform" für eine Beschränkung der Amtsdauer des Bundeskanzlers (siehe dazu auch Bericht Seite 12): Der Regierungschef solle - analog etwa zum Amt des Bundespräsidenten - nur einmal wiedergewählt werden können, die maximale Amtszeit läge damit bei zehn Jahren.
Die Funktionsdauer zu beschränken, ist ein durchaus gängiges Modell, die Demokratie vor überambitionierten Politikern zu schützen. Das Ende der römischen Republik war praktisch besiegelt, als sich Cäsar zum "Konsul auf Lebenszeit" beförderte, Napoleon tat es ihm dann gleich, als er 1802 das politische Chaos nach der Revolution handstreichartig beendete.
Auch das Amt des US-Präsidenten kennt seit 1951 die Beschränkung auf maximal zwei Funktionsperioden, davor galt dies nur als ungeschriebene Regel, die einmal sogar - 1940, als Franklin D. Roosevelt zum dritten Mal gewählt wurde - durchbrochen wurde. Mittlerweile rüttelt zwar noch niemand wirklich am 22. Zusatzartikel zur US-Verfassung, wo diese Bestimmung festgeschrieben ist, dafür mehren sich die kritischen Diagnosen, die den einst mächtigsten Mann der Welt zum Gefangenen der politischen Kräfte Washingtons herabgesunken sehen. Die auf Checks & Balances ausgerichtete US-Verfassung kann also auch ihre destruktive Seite entfalten und Entscheidungen der Exekutive
mehr oder weniger willkürlich blockieren.
In all diesen Fällen ist beziehungsweise war die Amtszeitbeschränkung der mächtigsten Politiker ein Mittel zum Zweck der Machtkontrolle. Zu viel Macht in den Händen einer Person ist aber nicht wirklich das Problem in Österreich. Tatsächlich geisterte ja vor nicht allzu langer Zeit die Forderung durch die Medien, man müsse das Amt des Kanzlers aufwerten, etwa durch die Einführung einer Richtlinienkompetenz, auf die sich etwa die deutsche Regierungschefin Merkel berufen kann. So gesehen hätte der Kanzler zu wenig Macht, nicht zu viel.
Die Begrenzung von Funktionsperioden kann natürlich auch dazu dienen, das Personenkarussell am Laufen zu halten, um so wenigstens für ein Minimum an politischer Bewegung zu sorgen; quasi als letztes verzweifeltes Mittel gegen Stillstandskoalitionen jeder Couleur oder, anders formuliert: Rotation aus politischer Hilflosigkeit.
Österreichs Demokratie, dieses Schicksal teilt das Land mit den USA und Europa, mangelt es an Leadership, also an entscheidungs- und durchsetzungsstarken Persönlichkeiten. Ein starker Mann, eine starke Frau, die alle Macht an sich reißen könnte, ist weit und breit nicht zu sehen. Und die Vorteile der dieser Situation übertrumpfen die Nachteile noch immer um Längen.