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Warum Zero-Getränke nicht beim Abnehmen helfen.
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Wien. Es herrscht wieder Alarmstufe rot: Der Sommer ist da, und der Bikini zwickt. Kalorienzählen ist angesagt, je weniger, desto besser. Abnehmwillige, denen Leitungs- oder Mineralwasser zu fad schmecken, greifen gerne auf kalorienarme Softdrinks zurück. Der letzte Schrei sind "Zero"-Getränke: null Zucker, null Fett, null Kalorien. Doch was die Figur schont, muss nicht unbedingt für den Organismus gut sein. Wer Zero-Getränke konsumiert, schluckt damit auch künstlich produzierte Süßstoffe wie Aspartam, Cyclamat oder Saccharin.
Süßstoff täuscht den Organismus
Über die synthetisch hergestellten Süßmacher wird seit Jahrzehnten heftig diskutiert, da sie im Verdacht stehen, bestimmte Krebsarten zu fördern oder das Risiko für Diabetes zu erhöhen. Einen besonders schlechten Ruf hatte etwa der 1965 durch einen Zufall entdeckte Zuckerersatzstoff Aspartam, der erst 2013 von der EU-Lebensmittelbehörde EFSA für Verbraucher ungefährlich eingestuft wurde.
Für die Wissenschaft sind Zuckerersatzstoffe ein weites Feld. Vor kurzem wurde wieder eine Studie dazu veröffentlicht. Forscher der Columbia University meldeten, dass bei täglichem Konsum künstlich gesüßter und somit kalorienarmer oder kalorienfreier Softdrinks das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall drastisch steigt. Auch dass die scheinbar "gesünderen" Softdrinks helfen, die Traumfigur zu erreichen, ist eine Mär. "Zero-Getränke bringen den Körper durcheinander", sagt Udo Pollmer, wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. Dem Organismus wird beim Konsum der künstlich gesüßten Erfrischungen vorgespielt, dass er gleich Zucker, also Energie, bekommt, und es wird reflexartig etwas Insulin ausgeschüttet. Da Süßstoffe aber keine Kohlenhydrate liefern, weckt das wieder Appetit. Fazit: Wenn es schon ein Cola sein muss, dann "echt" mit Zucker. Dieser Meinung ist auch Katrin Mittl, Ernährungsexpertin beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). Ab und zu ein zuckerhaltiger Softdrink sei o.k., wenn es einen danach gelüste, als genereller Durstlöscher seien Cola, Fanta & Co aber nicht geeignet.
Pollmer versteht nicht, warum Zucker so schlechtgemacht wird. "Zucker ist ein traditionelles Naturprodukt, das bei uns aber dämonisiert wird." Zuckergelüste seien angeboren - was nicht bedeute, dass man jedem Appetit sofort nachgeben müsse. Aber man sollte ihn respektieren. Süßungsmittel ohne Kalorien bezeichnet Pollmer als "Beschiss auf der Zunge", stellt es aber jedem frei, sie zu konsumieren. Man sollte sich aber über eines im Klaren sein: "Wozu braucht der Körper Kalorien? Zum Rumrennen? - Falsch! Zum Heizen!" Pollmer erklärt: Schränkt ein dünner Mensch, dessen innere Organe wegen der fehlenden Fettschicht nicht so gut isoliert sind, seine Kalorienzufuhr stark ein, nimmt er ab, weil er zusätzliche Energie dafür braucht, um die Betriebstemperatur des Körpers von 37 Grad aufrechtzuerhalten. Bei Übergewichtigen, die viele Light-Produkte verzehren, weil sie abnehmen wollen, funktioniert das nicht so, denn sie müssen aufgrund ihrer dicken Isolationsschicht kaum zusätzliche Energie zum "Heizen" aufbringen. Aber der Körper bemerkt den Beschiss mit "Light" und sorgt für zusätzlichen Appetit. Damit "verbessert" er dann die Isolation, und der Mensch wird dicker. Das kommt auch der Lebensmittelindustrie gelegen: In der EU sind bestimmte Süßstoffe als Hilfsmittel in der Tiermast zugelassen. "Das lohnt sich, weil die Tiere mit weniger Futter schneller zunehmen", so Pollmer.
Wer wissen will, was in Softdrinks enthalten sind, kann sich auf www.codecheck.info oder mittels Codecheck-App informieren. Dort werden auch Alternativprodukte vorgeschlagen.
"Anschlag auf die
Intelligenz"
Pollmer will auch mit einem anderen Mythos aufräumen. Gerade bei hohen Temperaturen wird von Ernährungsexperten propagiert, man möge "viel trinken", und zwar, bevor der Durst kommt. Mindestens 1,5 Liter, besser noch zwei Liter Flüssiges, am besten in Form von Wasser oder ungesüßtem Tee, damit der Körper nicht austrocknet. Wenn es ganz heiß wird, können es auch drei Liter Wasser sein, so die Ratschläge.
Solche Vorgaben seien "ein Anschlag auf die Intelligenz", empört sich Pollmer und verweist darauf, dass man auch mit festen Nahrungsmitteln Flüssigkeit zu sich nimmt, mitunter gar nicht so wenig. Pollmer: "Gurken zum Beispiel enthalten 97 Prozent Wasser, ein Apfelsaft nur 87 Prozent." Viel trinken und salzarme Ernährung können sogar gefährlich werden. Es habe bereits Todesfälle durch Wasservergiftung gegeben. Dabei führt die Überversorgung des Körpers mit Wasser zu einem lebensbedrohlichen Natriummangel.
Ein gesunder Mensch sollte auf seinen Hausverstand vertrauen und dann trinken, wenn er Durst hat, wünscht sich Pollmer. Auch Kaffee zählt genauso wie Gurken zur täglichen Trinkmenge. "Der klaut dem Körper doch kein Wasser - im Gegenteil, er besteht aus Wasser!"