Knapp 39.000 Schüler absolvieren ab Montag die Sommerschulen. Für Lehramtsstudenten ist es eine gute Chance, sich auf den Beruf vorzubereiten, allerdings fehlen teilweise Lehrerinnen und Lehrer.
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Der Lehramtsstudent aus Berndorf in Niederösterreich hat sehr gute Erinnerungen an die Sommerferien im vergangenen Jahr. Da war er zum ersten Mal bei der Premiere der Sommerschule für Schüler mit Lerndefiziten in seiner Heimatstadt dabei, weil neben Lehrern auch angehende Pädagogen beim Unterricht in der Sommerschule mithelfen. Einer Schülerin, die zuerst nur widerwillig teilgenommen hat, hat es in den zwei letzten Wochen der Sommerferien in der Sommerschule dann ausgesprochen gut gefallen. "Es war urcool", habe sie gesagt, erzählt Daniel Osztovics, der in Baden an der Padägogischen Hochschule Niederösterreich die Ausbildung zum Volksschullehrer macht. Heuer ist er ab kommendem Montag, 23. August, bei der zweiten Sommerschule zwei Wochen lang bis zum Beginn des neuen Schuljahres am 6. September wieder dabei. Die Sommerschule ist kostenlos.
Rund 38.800 Schüler mit Lernschwierigkeiten, nicht zuletzt aufgrund des wochenlangen Heimunterrichts während der Corona-bedingten Schulschließungen, sind von ihren Eltern für die Sommerschule angemeldet worden. Das sind rund 16.000 mehr als bei der Premiere im Vorjahr. Auch für ältere Schüler gibt es heuer ein Angebot. Ebenfalls zugenommen hat die Zahl jener Lehramtsstudenten, die neben aktiven Lehrern und Direktoren beim Unterricht und bei der Unterstützung beim Ausmerzen der ärgsten Lernprobleme mithelfen. Waren es im vergangenen Jahr rund 1.300 Lehramtsstudenten, so sind es heuer rund 2.000. Dazu kommen noch rund 1.200 Pädagogen sowie Schüler, die als "Lernbuddies" fungieren.
Was die angehenden Pädagogen davon haben? Ihnen werden jedenfalls für die Tätigkeit in der Sommerschule fünf ECTS-Punkte für das Studium gutgeschrieben. Vor allem erhalten sie Einblick in den Unterricht und die Herausforderungen, die später der ohnehin immer fordernder werdende Lehrberuf an sie stellen wird. "Der große Erkenntnisgewinn war, dass man zwei Wochen lang für die Klasse verantwortlich ist", sagt Lehramtsstudent Osztovics. In der Sommerschule habe ihm die Lehrerin, die in der Volksschule in Berndorf gemeinsam mit ihm die zwei Wochen unterrichtet hat, "sehr viel Freiraum gelassen". Im vergangenen Jahr habe man sich zur Verbesserung vor allem der Deutschkenntnisse mit dem Thema "Das bin ich" beschäftigt.
Chance zum Aufholen von Lernrückständen
Heuer wird Osztovics ab Montag mit einem weiteren Lehramtsstudenten bereits mit ein bisschen Erfahrung im nicht weit entfernten Kottingbrunn wieder bei einer Sommerschulklasse tätig sein. Während des Gesprächs ist Osztovics gerade mit den Vorbereitungen auf das heurige Thema Wasser beschäftigt. Ein Vorteil in der Sommerschule, verglichen zur Praxis in einer richtigen Volksschulklasse, sei auch, dass weniger Kinder anwesend sind. Im Vorjahr waren es 14 Schulkinder, heuer soll "seine" Sommerschulklasse nur zehn Kinder umfassen. "Es hat mir sehr gut gefallen", erinnert er sich an das Vorjahr, deswegen macht der Niederösterreicher auch heuer wieder mit.
Positive Erinnerungen aus dem Vorjahr sind es auch, die die Niederösterreicherin Sonja Reisinger bewogen haben, erneut in den beiden letzten Ferienwochen zu unterrichten. Die Lehramtsstudentin für die Primarstufe, das ist die Volksschule, studiert an der Pädagogischen Hochschule in Baden. Im Vorjahr war sie in Oberwaltersdorf in einer Sommerschule für Kinder der vierten Klasse verantwortlich, heuer sind es ab Montag in Traiskirchen Volksschüler der ersten und zweiten Klasse.
Reisingers Eindruck war sehr positiv: "Ich finde, dass die Kinder eine sehr große Chance haben, Rückstände, die in der Corona-Zeit entstanden sind, wieder aufzuholen." Das beflügelt auch die Lehrenden in der Sommerschule. Vorteilhaft ist für sie neben den ECTS-Punkten, dass man so innerhalb von zwei Wochen rasch zusätzliche Erfahrung für das Unterrichten sammeln könne. Ein eigenes Entgelt gibt es nicht, für notwendiges Material gibt es jedoch eine Entschädigung. Im Vorjahr wurde sie im Tandem von einer Lehrerin unterstützt, heuer wird es ein weiterer Lehramtsanwärter sein. Reisinger meinte bei der Frage nach dem schönsten Erlebnis in der Sommerschule im Vorjahr, dass zwei kleine Geschwister so begeistert waren, "dass sie sogar Hausübung machen wollten".
Bildungsminister Heinz Faßmann hat bereits angekündigt, dass heuer im Herbst die Sommerschule auch auf eine gesetzliche Basis gestellt werden wird, um Mädchen und Burschen mit Lernproblemen nicht nur in Deutsch, sondern vor allem auch in Mathematik in den Ferien auf die Sprünge zu helfen. "Die Sommerschule ist gekommen, um zu bleiben", so die Worte des Ressortchefs. Der SPÖ ist allerdings die Dauer von zwei Wochen in den Sommerferien zu wenig. Die Sommerschule für Schüler mit Nachhochbedarf solle ausgeweitet werden.
Die meisten Anmeldungen für die heurigen Sommerschulen, aufgeteilt auf die 850 Schulstandorte nach Bundesländern, gab es in Wien, wo rund 10.100 Kinder für die zwei Ferienwochen vorgemerkt sind. In Niederösterreich sind es 7.400 Kinder. Heuer gibt es auch ein Kursangebot für Schüler der Oberstufen, nicht nur für jene in Volksschulen und Mittelschulen, die den Großteil bilden.
Der Bildungsminister will die Sommerschulen heuer aber nicht nur für Nachhilfe beim Lernstoff nützen. Weil die türkis-grüne Bundesregierung bis zum Schulbeginn am 6. September in Ostösterreich und eine Woche später in den sechs anderen Bundesländern möglichst vielen Schülern über zwölf Jahren eine Corona-Impfung anbieten will, werden Impfbusse auch die Sommerschulen ansteuern. Ab Montag, 6. September, hat dann der Schulalltag die Mädchen und Burschen wieder. Samt drei Corona-Tests pro Woche in den ersten beiden Schulwochen.
NÖ-Bildungsdirektion rechnet mit Aufregung bei Eltern
Es herrscht bei den Sommerschulen nicht überall eitel Wonne. In Wien kämpfte man an einigen Standorten mit einem Lehrermangel. Als Grund wurde von Insidern die Corona-Müdigkeit der Lehrer nach dem vergangenen Schuljahr genannt. Die niederösterreichische Bildungsdirektion musste in einem der "Wiener Zeitung" vorliegenden E-Mail an Schulleitungen mitteilen, dass es "immer noch einige Standorte" gebe, bei denen sich weder Lehrer noch Lehramtsstudenten gemeldet haben. Es bleibe nur die Möglichkeit, den für die Sommerschule angemeldeten Schülern abzusagen. "Die Aufregung der Erziehungsberechtigten wird groß sein, leider können wir ohne die freiwillige Meldung von Lehrenden nichts machen."
In Niederösterreich sorgt das für einen Aufschrei der SPÖ. "Es kann nicht sein, dass da Kinder auf der Strecke bleiben", sagt SPÖ-Bildungssprecherin Elvira Schmidt. Für rund 60 bis 80 Schüler etwa in Schwechat soll gemeinsam mit der Bürgermeisterin Karin Bayer eine Alternative zu der bundesweiten Sommerschule kurzfristig auf die Beine gestellt werden. Niederösterreichs SPÖ organisiert schon bisher das Projekt "Nachzipf", um Schüler mit Lernproblemen zu helfen. Aus diesem Projekt sollen nun drei Lehrer auch das Alternativangebot für die Schüler in Schwechat betreuen.