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Wenn Sport ein Druckmittel wird

Von Simon Rosner

Analysen

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Ein sportliches Großereignis, wie es Europa im Juni mit der Fußball-EM in Polen und der Ukraine wieder erleben wird, ist immer mit vielen Erwartungen verbunden. Doch nicht nur die Sportler hoffen auf Erfolge und darauf, mit guten Leistungen ihren eigenen Marktwert zu steigern. Auch die Ausrichter wollen profitieren, sie wollen ihr Land ins bestmögliche Licht rücken, den Tourismus ankurbeln und Anbindung an internationale Netzwerke finden.

Doch wenn, wie jetzt im Fall der Ukraine, ein Veranstalterland im Konflikt mit den Ideen der westlichen Wertegemeinschaft steht, wird ein eigentlich dem Sport gewidmetes Großereignis plötzlich politisch. Nach der Absage der Ukraine-Reise des deutschen Präsidenten Joachim Gauck als Protestnote im Fall Julia Timoschenko könnte die EM zu einer Art Druckmittel werden.

Denn findet sich bei diesem Konflikt bis zur Euro keine Lösung, ist ein Boykott des Turniers durch europäische Politiker denkbar. Das wäre für die Ukraine ungemein peinlich. Auch wenn es nicht ausgesprochen wird und bei der Vergabe des Turniers keine Rolle gespielt hat: Der Westen erwartet sich vom Ausrichter die Einhaltung seiner Werte.

Bei einem so konkreten Konfliktpunkt wie jenem über die Behandlung der ehemaligen Ministerpräsidentin kann die Fußball-EM vielleicht tatsächlich als ein Druckmittel taugen, denn während der Fußballfeier will Präsident Viktor Janukowitsch dieses Thema nicht ständig diskutiert wissen. Doch bisher hat der Sport und haben Sportereignisse als Druckmittel für politische Veränderungen fast nie funktioniert.

Vor Olympia 2008 in Peking wurde die Menschenrechtssituation in China eifrig debattiert, Forderungen wurden formuliert. Doch kaum liefen die Spiele, waren Menschenrechte kein Thema mehr. Nicht anders war es in Südafrika, als vor der Fußball-WM Kriminalität und Diskriminierung Thema waren.

Die Zeit der Boykotte, wie es sie im Kalten Krieg gab, ist vorbei. Weder Sportler noch Teilnehmerländer können es sich erlauben, auf solche Wettkämpfe zu verzichten. Die WM 1978 im Argentinien der Militärjunta wollten Deutschland, Frankreich und die Niederlande boykottieren, dann fuhren sie doch. Nie zeigte es sich deutlicher, dass man politische Erwartungen nicht mit Sportereignissen verknüpfen sollte. Während der WM hatte sich Argentinien demokratisch und weltoffen präsentiert, nach dem Finale ging der Staatsterror weiter.