Im Kongo gab es offensichtlich einen Wahlbetrug, den die internationalen Akteure abnicken. | Damit wird ein deutliches Signal gesetzt, das über die Grenzen des Kongo hinausgeht. Eine Analyse.
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Kinshasa/Wien. Es ist ein Aufstand, der in westlichen Medien wenig Niederschlag findet, aber in afrikanischen und arabischen Ländern um so aufmerksamer verfolgt wird. Sudans Präsident Omar al-Bashir ist in Bedrängnis wie noch nie während seiner fast 30-jährigen Herrschaft. Seit rund sieben Wochen wird fast täglich gegen ihn demonstriert. Die Antwort Bashirs lautet: Das sudanesische Volk werde über den nächsten Präsidenten und die nächste Regierung bestimmen, und zwar bei den nächsten Wahlen 2020.
Nur vertrauen viele Gegner des islamistischen Machthabers seinem Versprechen nicht: Wahlen würden keinen Sinn ergeben, weil sie nicht frei und fair verlaufen würden, sagt Maryam al-Mahdi von der Umma Partei, die den Rücktritt von Bashir fordert, dem Nachrichtensender Al Jazeera. "Das war schon 2015 und bei der Wahl davor der Fall", betont sie. Ähnlich argumentieren andere Aktivisten. Und in den sozialen Medien wird gespottet, dass Wahlen ein beliebtes Instrument afrikanischer Autokraten seien, um ihre Herrschaft zu festigen.
Tatsächlich sind Wahlen auf diesem Kontinent - bei weitem nicht überall, aber doch in einigen Ländern - immer wieder eine Fassade und ein Betrug am Bürger. Ein besonders dreistes Beispiel hat sich nun offenbar im Kongo zugetragen.
Wenn ein Oppositioneller zum Freund des Präsidenten wird
Dort hat Präsident Joseph Kabila nach 17 Jahren an der Macht zwar darauf verzichtet, bei der Wahl noch einmal selbst anzutreten. Und es hat auch nicht der Regierungskandidat gewonnen, sondern zum Sieger erklärten die Wahlbehörde und später auch der Verfassungsgerichtshof den Oppositionellen Felix Tshisekedi. Doch dieser hat die Wahl auch nicht gewonnen, sondern nur um die 20 Prozent der Stimmen erhalten. Der wahre Wahlsieger war Martin Fayulu, auf den fast 60 Prozent der Stimmen entfielen. Hinter ihm hatten sich die schärfsten Kontrahenten Kabilas versammelt. Kabila und seine Getreuen mussten bei einer Präsidentschaft Fayulus nicht nur um ihre Macht fürchten, sondern auch, dass sie sich für dubiose Geschäfte verantworten müssen.
Tshisekedi hingegen war schon im Wahlkampf sehr zahm und besitzt wenig Hausmacht. Er hat sich offenbar mit Kabila auf einen Deal geeinigt: Tshisekedi wurde Präsident, lässt aber sonst die alten Machtstrukturen, die Kabila und sein Zirkel aufgebaut haben, unangetastet. Eine Win-win-Situation für beide Seiten.
Dass es offenbar zu einem Wahlbetrug kam, ist gut dokumentiert. Internationalen Medien wurden Dokumente aus der Wahlkommission als auch von der katholischen Kirche, die das Votum im ganzen Land beobachtet hat, zugespielt.
Trotzdem blieb der internationale Aufschrei aus. Für Russland und China war die Wahl mehr oder weniger eine interne Angelegenheit. EU-Staaten und die USA haben zwar Zweifel an dem Votum geäußert, aber schließlich doch Tshisekedis Präsidentschaft akzeptiert. Verhalten war auch die Reaktion der Afrikanischen Union, die gerne betont, dass Afrika seine Probleme selbst lösen kann. Sie verlangte zunächst eine Neuauszählung der Stimmen. Als Kongos Behörden darauf nicht eingingen, hat die AU nicht sonderlich auf ihrer Forderung bestanden.
Freilich wäre es riskant gewesen, sich hinter Fayulu zu stellen. Der Kabila-Zirkel kontrolliert Armee und Polizei. Die ersten Proteste von Fayulu-Anhängern forderten gleich erste Todesopfer. Die Gewalt der Sicherheitskräfte erklärt vielleicht, warum es Fayulu nicht gelungen ist, für seinen Protest so stark zu mobilisieren, dass daraus ein Druckmittel hätte werden können.
Den Kongolesen wurde gezeigt, wie wenig ihre Stimme wert ist
Gleichzeitig sind die Signale, die durch diese Wahl und ihr internationales Abnicken gesendet werden, eindeutig: Millionen Kongolesen wurde klargemacht, wie wenig ihre Stimme wert ist. Und Oppositionelle, auch in anderen afrikanischen Ländern, können die Lehre ziehen, dass sie nicht auf Wahlen zählen können, um ungeliebte Machthaber loszuwerden.
Als Alternative bleibt dann nur der Aufstand auf der Straße. Dieser birgt immer die Gefahr einer Eskalation in sich, diesen müssen schnell Bürger mit dem Leben bezahlen. Im Sudan haben die Sicherheitskräfte brutal auf die Proteste reagiert, laut Rechtsgruppen gab es bereits mehr als 40 Tote.