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Mehr als 1000 Kommunen haben kaum finanziellen Spielraum. | Fusionen lösen nicht alle Probleme. | Wien. Fusionen werden oft mit dem Einsparpotenzial begründet. Funktioniert das auch bei Gemeinden? Mehr Kommunen denn je wirtschaften "nach zwei furchtbaren Jahren" mit engsten Spielräumen: Weit mehr als 1000 Kommunen sind sogenannte Abganggemeinden, heißt es beim Österreichischen Gemeindebund. Ihnen fehlen die Mittel für echte Neuinvestitionen.
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Somit gewinnt die Debatte über Gemeindezusammenlegungen an Fahrt. In Österreich gibt es aktuell 2357 Gemeinden (samt Wien). Zwar liefen zwischen 1970 und 1980 Zusammenlegungswellen im Burgenland und Niederösterreich (siehe Tabelle). Die Zahl der Kommunen ist aber immer noch hoch. So hat Schweden bei 9,3 Millionen Einwohnern nur 289 Gemeinden. Ließe sich da nicht ein großer Brocken sparen?
Der Gemeindebund ist skeptisch: Gegen freiwillige Zusammenlegungen sei nichts einzuwenden, man wehre sich aber gegen jede Form von Zwang: "Das will vor allem die Bevölkerung nicht", sagt Sprecher Daniel Kosak. Überdies sei fraglich, ob größere Gemeinden Kosten sparen und effizienter wirtschaften. Die Zahlen würden das Gegenteil belegen. "Wir wissen aufgrund internationaler Erfahrungen, etwa aus der Schweiz, dass Einsparungen nur in seltensten Fällen realisiert werden", sagt Wifo-Experte Hans Pitlik zur "Wiener Zeitung". In größeren Einheiten sei zwar oft die Qualität der Leistungen besser, diese würden aber auch zu Ineffizienz und höherer Bürokratie tendieren.
Grenze 500 Einwohner
Entscheidend sei die Größe: Mehr als ein Viertel der österreichischen Gemeinden habe weniger als 1000 Einwohner. In Kleinstgemeinden unter 500 Einwohnern sei die Verwaltung "definitiv ineffizient", über 1000 Einwohnern ergebe die Rechnung kein so eindeutiges Ergebnis mehr, sagt Pitlik.
Große Einsparungsmöglichkeiten ortet hingegen IHS-Chef Bernhard Felderer. Es müssten freilich nicht gleich Fusionen sein, auch enge Kooperation sei erstrebenswert. Gerade in Bereichen wie Infrastruktur (Abwasserentsorgung) und Verwaltung (Sekretariat, Amtsleitung) gebe es viele Doppelgleisigkeiten.
Bisher seien allerdings in Ostösterreich die Beispiele gelungener Kooperation rar gestreut, während in Westösterreich allein schon die topographische Enge für Druck gesorgt habe. Die Argumentation des Gemeindebundes, wonach die Mitarbeiterzahlen und Personalkosten bei größeren Gemeinden relativ betrachtet höher ausfallen, kann Felderer nicht nachvollziehen: "Das kommt mir merkwürdig vor. Die Frage ist, was verglichen wird: Bei großen zentralen Gemeinden fallen ganz andere Aufgaben an." Er würde es befürworten, wenn Gemeinden wie in England von Zeit zu Zeit nachweisen müssten, dass sie ihre Serviceleistungen zu marktkonformen Preisen erbringen können. "So eine Kostenrechnung haben wir in Österreich fast nirgends. Alle Auslagerungen, die stattgefunden haben, blieben zu 100 Prozent im Eigentum der Städte. Welchen Sinn hat das, wenn Unternehmen nicht in den Wettbewerb entlassen werden?"
Gerhard Klaffner, Bürgermeister von Weyer in Oberösterreich, spricht lieber von "Zusammenführen statt -legen, das klingt mir zu sehr nach Zwang". Die nur 4,5 Quadratkilometer große Gemeinde Weyer-Markt wurde Anfang 2007 mit der 219 Quadratkilometer großen Gemeinde Weyer-Land vereint - mit großer Zustimmung der Bevölkerung. Klaffner zieht erfolgreiche Bilanz, mahnt aber zu Realismus: "Wenn zwei Bettler heiraten, wird kein Reicher herauskommen." Die Finanzkrise habe Weyer um viele Früchte der Strukturreform gebracht, es sei aber gelungen, den Abgang sukzessive zu verringern.
In Weyer wurde der Personalstand (ohne Kündigungen) um vier Personen verringert. Es gibt nur noch einen Amtsleiter, die Bauhöfe wurden zusammengelegt. In die Hände gespielt habe der Gemeinde dabei ein glücklicher Sonderfall: Zum einen gab es zwei Bürgermeister derselben (SPÖ)-Fraktion, zum andern stand der Kollege kurz vor der Pension. Eine Reihe von Konflikten sei gar nicht erst aufgetaucht.
Das Modell stößt derzeit auf reges Interesse, sagt Klaffner: Er erhalte viele Anfragen von an der Fusion interessierten Bürgermeister-Kollegen. Mit der Quintessenz: "Eigentlich wär das ja eh gescheiter..."