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"Wenn´s einbrechen, is es auch weg"

Von Alexa Jirez und Andrea Katschthaler

Wirtschaft

Sorge um das Ersparte, aber keine Panik. | Spareinlagen werden vorerst nicht behoben. | Kunden fühlen sich bei Großbanken sicherer. | Wien. "Geh bitte, jetzt is der scho wieder hin", beschwert sich ein junger Mann vor dem Kontoauszugsdrucker einer Bankfiliale in Wien-Meidling. Hinter ihm hat sich eine Warteschlange gebildet. Auch vor dem Serviceschalter der Bank herrscht Hochbetrieb.


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Die Finanzkrise verunsichert die Menschen hier und sorgt für reichlichen Gesprächsstoff. Die 85-jährige Adele hat bereits ihre Kontokarte gezückt, um Geld für den täglichen Einkauf abzuheben. Ihr Sparkonto auflösen wird sie nicht: "Des hätt eh kan Sinn, wenn ich alles Geld abheb. Es wird sowieso jeden Tag weniger wert, ob ich´s jetzt daheim hab oder auf der Bank liegen lass. Es wird so und so alles teuer", klagt die rüstige Seniorin.

Neben ihr steht die ebenfalls über 80-jährige Maria. Die zierliche weißhaarige Frau kramt in ihrer Tasche und meint: "Also ich hab Vertrauen. Gestern hat doch der Gusenbauer im Fernsehen gesagt, dass das Geld sicher ist." Auch Maria hat ein Sparbuch - "für die Urenkerln", wie sie erklärt. Sie hat ebenfalls nicht vor, jetzt das gesamte Geld abzuheben, obwohl ihr die Medienberichte über die Finanzkrise Kopfzerbrechen bereiten: "Für mich ist es egal, ich bin ja schon alt. Aber meine Enkerl und Urenkerl, wer weiß, was auf die zukommt", meint sie besorgt. Adele schüttelt den Kopf und ruft: "Ich hab gar kein Vertrauen. Des san alles Verbrecher, diese Spekulanten, alles Verbrecher. Es ist heutzutag ja völlig wurscht, wo man sein Geld hat. Es ist sowieso nirgends mehr sicher. Es gibt ja überhaupt keine anständigen Leut mehr."

Angst vor großer Depression

Adele erinnert sich an das Jahr 1929. Da war sie zwar noch ein kleines Kind, aber: "Damals, hat mir die Mutter erzählt, hat man für ein Butterbrot ein Haus kaufen können, so wenig war das Geld wert. Die Leut haben damals nix g´habt. So weit wird es jetzt wieder kommen", befürchtet sie.

Und damit steht die 85-Jährige nicht alleine da. Eine aktuelle "Infoscreen Monitor"-Umfrage hat ergeben, dass 71 Prozent der Bevölkerung negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt befürchten. Die Menschen sorgen sich dabei weniger um ihre Spareinlagen als um die allgemeine Entwicklung der Konjunktur. Zu recht, wie ein Finanzexperte einer großen Versicherung weiß.

Der Mann, der anonym bleiben möchte, gibt zu, dass es "durchaus Grund zur Sorge gibt". Fatal sei die Situation für alle jene, die ihre Pensionsvorsorge in Aktien oder Fonds angelegt haben: "Da stehen jetzt viele vor einem Scherbenhaufen." Dazu komme, dass das fehlende Vertrauen der Anleger dazu führen dürfte, dass kaum mehr investiert wird. "Das ist tödlich für ein Wirtschaftssystem, da werden noch gewaltige Probleme auf uns zukommen", glaubt der Finanzexperte. Alle Spareinlagen abzuheben, davon rät er dringend ab: "Das wäre sicher der falsche Weg."

Genau das ist aber oft der erste Reflex der Bevölkerung, wenn von einer Finanzkrise die Rede ist. "Vor allem in den ersten Tagen haben viele Kunden Panik bekommen", sagt Werner Deopito, Leiter der Bank-Austria-Filiale am Wiener Stephansplatz. "Die Leute reden untereinander, es entsteht Falschinformation, und viele werden hysterisch", erläutert Deopito, "da muss man sie wieder auf den Boden zurückholen". Vor allem ältere Menschen würden einen Teil ihres Geldes abheben, um ihn als Bargeld zu Hause zu lagern. "Die haben aber ganz andere Sachen miterlebt als wir", meint Deopito.

"Aktien hamma eh ned"

Viel miterlebt, aber trotzdem keine Angst haben "die große und die kleine Elfriede". Die beiden 77-jährigen Freundinnen, die denselben Vornamen tragen, kommen gerade aus einer Bank im

4. Bezirk - ihr Geld haben sie nach wie vor dort belassen. "Man macht sich schon Gedanken", meint die Kleinere der beiden, "aber Aktien hamma eh ned". "Und sie hab´n ja gesagt, bis 100.000 Euro is gesichert", fügt die große Elfriede hinzu. "Ich frag mich aber, wie´s das machen wollen, wenn´s kracht", überlegt sie weiter, kommt aber zu dem Schluss, dass ihr Geld zu Hause auch nicht besser aufgehoben wäre: "Wenn´s einbrechen, is es ja auch weg."

Der 73-jährige Peter, der gerade mit seinen Einkaufssackerln aus der Bank kommt, ist derselben Ansicht: "Das ist alles unnötige Panikmache der Medien", meint er, "es gehört auch für den einfachen Menschen eine gewisse Betriebswirtschaftskenntnis dazu". Ein Problem, das auch Deopito nicht von der Hand weisen kann: "Viele haben ihre Informationen nur aus den Medien und gehen dann vom Schlimmsten aus." Die meisten Kunden habe man bisher beruhigen können, erzählt der Filialleiter, und auch größere Behebungen seien ausgeblieben. "In den letzten Tagen hat sich die Situation wieder ein bisschen entspannt."

Ähnlich geht es auch bei anderen Banken zu: "Viele kommen nur zum Schalter, um sich nach der aktuellen Lage zu erkundigen, weil sie um ihr Erspartes fürchten", erzählt ein Foyerbetreuer bei der Volksbank, "die meisten lassen sich aber beruhigen und belassen die Einlagen so, wie sie sind." Generell werde derzeit aber sehr viel Geld hin und her geschoben: "Wir haben in den letzten Tagen viele Neukunden von anderen Banken bekommen - und auch selbst einige verloren."

"Die Kunden scheinen sich bei den Großbanken sicherer zu fühlen", meint auch Deopito von der Bank Austria. Vor allem Sparbücher seien derzeit beliebt. Noch setzen sich diese offenbar gegen den Sparstrumpf durch.