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Wer andern einen Rasen sät . . .

Von Claudia Aigner

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Claudia Aigner ist Germanistin und Kunsthistorikerin und glaubt an das Lachen als Symptom der Erkenntnis. Foto: E. A. Richter

Als Nächstes reanimieren sie noch Ramses II. mit ekligen galvanischen Experimenten, bis ihm der linke (und nur der linke) | Daumen zuckt wie ein Froschschenkel. (Na Mahlzeit!)


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Diese Linkshänder, die schrecken ja wohl vor nichts zurück (um ihr Imperium Sinistrum, ihr Linkes Reich, zu vergrößern). Jetzt graben sie schon die Toten aus. Und nehmen den Albrecht Dürer als Geisel. Und hätte der noch Fleisch auf dem Kiefer, hätten diese Leute bestimmt keinen Genierer, seine posthumen Lippen wieder in Gang zu bringen (mit Elektroschocks). Dann müsste er in einem Video "gestehen", dass er den Feldhasen natürlich mit der linken Hand aquarelliert hat. Oh, ihr Unersättlichen! Reicht es euch denn nicht, dass ihr den Leonardo da Vinci und den Einstein habt? (Den Nietzsche wollen wir eh nicht.)

Als Rimbaud, nein: Rambo, dahintergekommen ist, dass in der schwitzendsten Schwüle des Dschungels finstere Vietnamesen herzensgute amerikanische Veteranen festhalten, da hat es ihm ja auch sofort alle Muskeln aufgestellt. Und die Empörung des Gerechten hat den Ich-mach-euch-bummbumm-Reflex bei ihm ausgelöst. Dies ist nun die Geschichte, wie ich den Dürer aus den Fängen der Linkshänder befreit habe. Stimmt, Hollywood könnte das aufregender erzählen.

Da würde die Lara Croft die feisten Wachen kurzerhand mit ihrer Körbchengröße DD k. o. schlagen (actionreich unterstützt von intellektuellen Ninjas, die, während sie ihre Gliedmaßen in der Gegend herumschleudern, tiefsinnige Haikus aufsagen zum Thema "Wer andern einen Rasen sät, beißt selbst hinein - ins Gras"). Und wenn die Lara (die man freilich nicht wieder mit der Angelina Jolie besetzen dürfte, weil die eine von "denen" ist) vor der Liste mit der Überschrift "Berühmte Linkshänder" steht, streicht sie den Dürer kaltblütig durch. ("Die" haben ja eigentlich nur seinen Namen entführt.)

Und wie hab ich den Dürer freibekommen? Mit einem klassischen "Beweis durch Verwirrung": Den Gegner mit so viel Gaga niederargumentieren, bis er einem freiwillig recht gibt. Den Ramses II. musste ich bei "denen" leider zurücklassen. Der ist wahrscheinlich sowieso ein Beidhänder. Oder zeigen ihn die Reliefs im Tempel von Abu Simbel etwa nicht als Rechtskeuler und Linkspfeiler? (Seine Feinde erschlägt er mit rechts, erschießen tut er sie mit der Linken.)

Na ja, lang werden "die" uns sicher nicht mehr mit dem propagandistischen Blut-und-Egel-Epos "Ramses II. zeigts den Hethitern mit links" verschonen. Oder mit dem Lendenschurzfilm "Rambo IV. versus Ramses II. - Sylvester Stallone und die Mumie kehren gemeinsam zurück". Die Handlung wäre am ehesten folgende: Der schimmlige Ramses, den man mit etwas Abrakadaver wiedererweckt hat, steckt den Rambo mit Fußpilz an, damit der die Lust verliert, im Irak einzumarschieren (um das dortige Klima zu retten, indem er das Land, nein: den ganzen Nahen Osten, vom Benzin befreit und zu einer Fußgängerzone macht). Ramses wird am Ende von Al Gore zu einem begeisterten Klimaschützer umerzogen, der uns mit seinem Trockenfischteint eindringlich vor der Erderwärmung warnt.

Und der Dürer? Von dem ist uns die linke Hand zufällig überliefert . Die hält ein verräterisches unsichtbares Objekt. Personen mit schasaugerter Fantasie halten das zwar für einen Pfeil fürs Darts oder ein Streichholz. Doch es ist eine imaginäre Rose. Denn der Dürer hat diese manierierte Geste einer Madonna des Meisters von Flémalle geklaut (die allerdings eine sichtbare Rose hält). Ein beliebter Schnelltest zur Entlarvung von "denen" verlangt nun: "Zeichnen Sie eine Blume." Hält man den Stift dabei in der Rechten, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Dann ist man keiner von "denen". Ach, hab ich erwähnt, dass Dürers Linke, ein latentes Blühdings haltend, bloß eine von ihm selbst (notgedrungen mit der Rechten) gezeichnete Hand ist? Happy End.

claudia.aigner@wienerzeitung.at