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Wer Angst vor der Gazprom hat, sollte auch Angst vor den Franzosen haben

Von Harald Waiglein

Analysen

Gazprom ante portas - die Angst vor dem russischen Energiekonzern geht in der europäischen Energie-Branche um. Denn der russische Gaskonzern sitzt auf so großen Geldreserven, dass er locker auch die größten europäischen Energieversorger aufkaufen könnte.


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Die Angst ist berechtigt. Denn die Gazprom ist kein rein marktwirtschaftlich denkendes Unternehmen, sondern der verlängerte Arm der russischen Regierung. Insofern hat die EU-Kommission völlig recht, wenn sie nun Beschränkungen für unerwünschte Investoren aus Drittländern überlegt.

Diese Beschränkungen wären aber auch in anderer Hinsicht wünschenswert: Sie würden es europäischen Regierungen nämlich unmöglich machen, die Gazprom oder ausländische Staatsfonds als Rechtfertigung für mehr Staatseinfluss in der eigenen Energiewirtschaft zu missbrauchen.

Noch ist die Gazprom ein Phantomproblem. Es ist von ihr kein einziger echter Übernahmeversuch im Westen bekannt. Lediglich in politischen Diskussionen auf nationaler Ebene in Europa wird der russische Gasriese immer wieder als Schreckgespenst bemüht. Denn ein Staat, der Schutzmaßnahmen vor der Gazprom ergreift, erzielt damit einen angenehmen Nebeneffekt: Die Maßnahmen helfen auch gegen unerwünschte europäische Konkurrenten.

So war ja auch das ursprüngliche Ziel der Fusion von Suez und Gaz de France nicht die Angst vor den Russen, sondern die Verhinderung einer Übernahme von Suez durch die italienische Enel. Zur gleichen Zeit versuchte die spanische Regierung, die Endesa mit der Gaz Natural zu verschmelzen, um eine Übernahme durch die deutsche E.On zu blockieren.

Konsolidierung kommt

Die Ironie im Zusammenhang mit Frankreich ist, dass die meisten europäischen Stromkonzerne wohl weniger Angst vor der Gazprom als vor einer Übernahme durch die mehrheitlich staatliche EdF oder durch die jetzt neu geschaffene GdF Suez haben müssten. Die französische Regierung hat nämlich den nationalen Strommarkt bis zuletzt vor ausländischer Konkurrenz abgeschottet. Gleichzeitig durfte die EdF, mit dicken Kapitalpolstern ausgestattet, in anderen europäischen Ländern mit liberalisierten Märkten auf Einkaufstour gehen - etwa in Deutschland, wo sie bei der EnBW einstieg, aber auch in Österreich, wo sie sich an der Estag beteiligte.

Dass viele Leute die Gerüchte ernst nehmen, wonach die EdF auch die RWE, den zweitgrößten Energiekonzern Deutschlands, übernehmen will, vervollständigt dieses Bild. Die EdF ist nach wie vor zu mehr als 87 Prozent im Staatsbesitz. Sie ist der größte Stromkonzern Europas; die neue GdF Suez ist im Strombereich die Nummer fünf. Wer diesen Konzernen weitere Übernahmen in Europa zugesteht, braucht sich irgendwann wegen der Gazprom keine Sorgen mehr zu machen.

Siehe auch:

Kursabsturz nach Fusionsbeschluss