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"Wer blockieren muss, ist schwach"

Von Walter Hämmerle

Politik

"Angst der Mächtigen vor freiem Informationsfluss greift um sich." | Appell an Transparenz bei staatlichen Förderungen. | "Wiener Zeitung": Ohne Pressefreiheit ist Demokratie unmöglich. Von welchen Entwicklungen geht heute die größte Gefahr für die Unabhängigkeit der Medien aus? | Dunja Mijatovic: Es grassiert eine seltsame Angst der Mächtigen vor freien Medien, vor allem vor dem freien Fluss der Information. Diese Atmosphäre gefährdet die Demokratie, und der Angst nachzugeben, würde einen historischen Rückschritt hinter die Errungenschaften von Aufklärung und Moderne bedeuten. Vor dieser Entwicklung zu warnen, sie zu beobachten und zu berichten, ist die Kernaufgabe meines Büros.


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Können Sie konkrete Beispiele für diese Gefahr nennen?

Dazu muss man sich nur anschauen, was kritischen Journalisten etwa in Weißrussland widerfährt - sie wandern ins Gefängnis, werden bedroht. Oder in der Türkei: Auch hier werden unbequeme Internetseiten einfach gesperrt, Journalisten verhaftet. Diese Probleme gibt es auch im Balkan und vielen weiteren Ländern. Prinzipiell ist kein Land gegen diese Gefahr immun. Aber die Blockade von Information ist stets ein Zeichen, dass die Regierenden in Wirklichkeit schwach sind.

Wäre es nicht besser, wenn Regierungen erst gar nicht über die technischen Möglichkeiten verfügen würden, das Internet zu blockieren?

Das Problem ist, dass dies fast schon zu einem alltäglichen Problem zu werden droht. Klar muss sein, dass Blockierer Regeln brechen, zu denen sie sich als OSZE-Mitglied verpflichtet haben. Zudem lehrt meine Erfahrung, dass diese Versuche allesamt verlorene Schlachten sind: Informationen finden über kurz oder lang immer ihren Weg zu den Menschen. Die beste Lösung wäre es, die Entscheidung über Internetsperren weg von Regierungen hin zu den Gerichten zu verlagern, so können auch berechtigte Anliegen wie der Kampf gegen Pädophilie oder Terrorismus weiter verfolgt werden.

Die neuen Kommunikationstechnologien gefährden das Geschäftsmodell traditioneller Medien wie Zeitungen oder Magazine. Ohne finanzielle Erfolge steht aber auch deren politische Unabhängigkeit auf wackligen Beinen.

Das stimmt, aber es führt kein Weg daran vorbei, dass sich die traditionellen Medien an die neuen technischen Möglichkeiten anpassen. Ob ein Medium diesen Wandel überleben wird, hängt nach meiner Überzeugung allein vom Inhalt ab und ob es gelingt, die Konsumenten zu erreichen. Aber zweifellos leben wir in einer schwierigen Zeit für Medien wie für Journalisten. Das gilt aber genauso auch für viele andere Branchen.

Auch in Österreich ist die Medienfreiheit primär durch ökonomische Fragen gefährdet. Der offiziellen Presseförderung von 12,8 Millionen Euro (2010) standen 2009 geschätzte 95 Millionen an Anzeigenausgaben öffentlicher Körperschaften und ihrer Unternehmen gegenüber.

Prinzipiell erachte ich öffentliche Förderungen für Medien für unproblematisch, wenn diese völlig transparent erfolgen. Leider ist das derzeit nicht immer der Fall, das sollte geändert werden.

Heute, Freitag, veranstaltet der Rechtsanwaltskammertag im Wiener Palais Ferstel die 39. Europäische Präsidentenkonferenz zum Thema "Medien - Freiheit - Rechtsstaat".

Zur Person: Dunja Mijatovic

Dunja Mijatovic, frühere Direktorin der Radio-, Kommunikations- und Aufsichtsbehörde von Bosnien-Herzegowina, ist seit März 2010 Medienbeauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Diese umfasst derzeit 56 Mitglieder. Foto: OSZE