Straffällig gewordene Ausländer sollen aus der Schweiz ausgewiesen werden: Über diesen Vorschlag entscheidet nun das Stimmvolk.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Schäfchen sind wieder zurück. Schon bei einer Wahlkampagne vor drei Jahren waren sie auf Plakaten in der Schweiz zu sehen. Da gibt es die makellos weißen Schafe, die auf der Schweizer Fahne wie auf der saftigsten Wiese weiden. Und da ist dieses schwarze Tier, das überhaupt nicht reinpasst. Mit einem gezielten Huftritt wird es daher von einem weißen Schäfchen rausgekickt. Weg von unseren Weidegründen, raus aus unserem Land.
Die Botschaft, die die rechtsnationalistische Schweizerische Volkspartei (SVP) 2007 vermittelte, war so klar, dass die UNO die Kampagne als offen rassistisch verurteilte. Mit den schwarzen Schafen waren nämlich Ausländer gemeint. Und wenn die sich nicht benehmen können, werden sie von den weißen Schafen, den braven Schweizer Bürgern, rausgeworfen. "Ausschaffung" heißt das in der Schweiz. Sie wird in dem kleinen Alpenland wieder heftig diskutiert - und das Schäfchensujet ist auch wieder da.
Am Sonntag stimmen die Schweizer über die Ausschaffungsinitiative der SVP ab. Diese sieht vor, dass Ausländer, die sich nicht an die Gesetze halten, ihr Aufenthaltsrecht verlieren. Als Beispiele für so zu ahndende Straftaten werden Vergewaltigung, Raub, Drogenhandel oder Einbruch genannt. Doch das ist nicht alles: Auch jene, die Sozialleistungen missbrauchen, sollen rausgeworfen werden.
Das bürgerliche Lager reagierte auf die Initiative mit einem Gegenvorschlag, den die Regierung unterstützt und der ebenfalls zur Abstimmung steht. Auch in diesem Papier ist von Ausweisung von Straftätern die Rede, allerdings wird das vom Strafmaß abhängig gemacht. Zusätzlich seien die Bestimmungen des Völkerrechts und der Verfassung zu beachten.
Gerade der SVP-Antrag könnte gegen eine Reihe von Gesetzen verstoßen, wenden Kritiker ein. Zum einen dürften beispielsweise Flüchtlinge nicht in ihre Heimat abgeschoben werden, wenn ihnen dort Folter oder gar der Tod droht. Zum anderen wäre es auch nicht mit EU-Recht vereinbar, Unionsbürger automatisch wegzuweisen.
Die Schweiz hat nämlich mit der EU das Freizügigkeitsabkommen unterzeichnet. Ausweisungen sind daher nur in Einzelfällen möglich, und auch das nur nach gründlicher Prüfung. Das hat die Europäische Kommission erst vor kurzem Frankreich erklärt, das massenhafte Abschiebungen von Roma durchgeführt hatte.
Juristische Einwände dürften aber etliche Schweizer nicht so sehr beeindrucken. Die letzte Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern ergab, dass 54 Prozent den SVP-Vorschlag unterstützen. Vor genau einem Jahr lauteten die Prognosen für den Ausgang einer anderen Volksabstimmung ähnlich. Und tatsächlich votierten damals etwas mehr als 57 Prozent der Schweizer für ein Verbot des Baus von Minaretten.
*
Vor der Gefahr, dass Demokratie zur Tyrannei der Mehrheit über Minderheiten werden kann, haben schon im 19. Jahrhundert Publizisten und Politiker gewarnt - nicht zuletzt einer der Autoren der Verfassung der Vereinigten Staaten, James Madison. In der Schweiz habe die direkte Demokratie vor allem dann negative Auswirkungen, wenn es um den Ausbau von Minderheitenrechten geht, konstatiert der Schweizer Politikwissenschafter Adrian Vatter in einem Zeitungsbeitrag. Dabei gebe es aber Unterschiede. Toleranz werde gegenüber kulturell integrierten Gruppen wie den eigenen Sprachminderheiten geübt. Minderheitenfeindlicher entscheidet das Stimmvolk bei den anderen: bei Ausländern und Muslimen.