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Wer braucht die AUA?

Von Hermann Sileitsch und Christian Mayr

Wirtschaft

Wird die Airline geschrumpft, dann leiden Flughafen und Standort Wien mit.


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Wien.

Das Tauziehen um die Zukunft der Austrian Airlines (AUA) sorgt für Besorgnis bei den Wirtschaftsverantwortlichen. Sollte die Fluglinie zum bloßen nationalen Zubringer für die Lufthansa degradiert werden - inklusive der Streichung etlicher Verbindungen -, dann würde damit der Wirtschaftsstandort Österreich empfindlich geschwächt: Es drohen der Abzug von Firmenzentralen, der Verlust etlicher Arbeitsplätze, geringere Steuereinnahmen und ein genereller Imageschaden.

"Wir leiden mit der AUA und haben große Bedenken. Denn die AUA ist ein sehr wesentliches Argument für den Wirtschaftsstandort", erklärt der Chef der Ansiedelungsagentur der Republik Österreich (ABA-Invest), René Siegl, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er kenne viele Aussagen von Entscheidungsträgern, dass es im Falle einer Reduktion des Streckennetzes aus Wien in Richtung Ost- und Südosteuropa zu einer sofortigen Evaluierung des Standortes Wien kommen würde. "Für die internationalen Headquarter in Wien ist die AUA absolut essenziell", sagt Siegl.

In erster Linie ginge es dabei um den Zeitverlust bei Firmenreisen: "Wenn ich in München oder Frankfurt umsteigen muss, fragen sich die Manager: Warum soll ich nicht gleich die Zentrale dorthin verlagern?", erörtert Siegl. Das bestätigt auch Leo Hauska, Sprecher der Vereinigung Headquarters Austria: Das Flugangebot habe sich schon in den vergangenen Jahren verschlechtert, einige Verbindungen seien ausgedünnt worden, sagt Hauska - etwa in den baltischen Raum oder auf den Balkan. Bisher sei es noch keine ernsthafte Bedrohung, "aber schlimmer darf es nicht werden". Unternehmen, die wie Henkel Austria von Wien aus an die 30 Märkte betreuen, seien auf Direktverbindungen angewiesen.

Insgesamt gibt es rund 300 Headquarters in Österreich, fast drei Viertel davon sind im Großraum Wien angesiedelt. Ist eine Zentrale verloren, gibt es auch weniger Aufträge für heimische Unternehmen - wie Banken, Steuerberater, Anwälte oder PR- und Werbeagenturen. Und Ersatz für solche Zentralen zu bekommen, sei jedenfalls aussichtslos, wenn "die AUA nur noch regionaler Zubringer im Lufthansa-Netz zu anderen Hubs ist", warnt Siegl.

Für den Wiener Flughafen ist die AUA wichtig.

Gefahr für Wiens Kongresse

Mit "großer Sorge" beobachtet deshalb Wiens Wirtschaftskammer-Präsidentin Brigitte Jank die Verhandlungen um die Zukunft der AUA: "Es ist derzeit nicht absehbar, in welche Richtung die Reise geht. Und sollte sie in die falsche Richtung gehen - wie ich im Moment den Eindruck habe -, wäre es nicht nur für Ost-, sondern auch für Gesamtösterreich sehr, sehr schlecht." Denn sie könne sich nicht vorstellen, dass andere Fluglinien die für den Wirtschaftsraum wichtigen Ostdestinationen im selben Maße anfliegen würden. "Da werden sich einige nur die Rosinen herauspicken", fürchtet Jank.

Außer dem Verlust der Headquarters, wo Wien derzeit ohnehin eine schwierige Phase durchmache, seien zwei wesentliche Punkte für den Wirtschaftsraum problematisch: "Die Erschließung der Märkte im Osten wird um vieles komplizierter und teurer. Das ist aber eine Kompetenz, die sich Österreich aufgebaut hat." Außerdem würde der in Wien in den vergangenen Jahren boomende Kongresstourismus Schaden nehmen: "Wer kommt noch nach Wien, wenn er dreimal umsteigen muss, bis er bei uns ist?", fragt Jank. Fazit: "Die AUA war ein verlässlicher Partner der Gesamtwirtschaft. Ich sehe weit und breit niemand, der annähernd bereit wäre, das zu erfüllen."

Wiens Kammer-Chefin Jank fordert, dass die Politik positive Signale aussenden und sich bei den geforderten Gebührenreduktionen (bei der Austro-Control und dem Flughafen Wien) bewegen sollte. "Ein gutes Klima wäre hier förderlich." Zumindest laut Flughafen sei man hier auf einem guten Weg, wo "beide Seiten wachsen können".

Beim AUA-Vorstand läuft Jank offene Türen ein. Dort gibt es den Vorwurf, die Politik habe der schwer angeschlagenen Airline beim Verkauf an die Lufthansa mehr Rückhalt zugesichert, dies aber nicht eingehalten - es sei auch nichts zur Förderung des Standortes getan worden. Konkret wurden die teuren Gebühren am Flughafen Wien oder die unflexible Haltung der Flugsicherung Austro-Control kritisiert, die keine sprit- und zeitsparenden Anflugmanöver zulasse. Für Streit sorgte zudem auch, dass dem AUA-Konkurrenten Emirates mehr Landerechte in Wien-Schwechat eingeräumt wurden.

Im Verkehrsministerium weist man die Kritik zurück: "Es gibt für die AUA keinen Grund zur Klage", sagt Sprecher Walter Fleißner. Das Ministerium setze sich sehr dafür ein, dass der Standort profitiere - etwa durch internationale Landeabkommen, die der AUA ebenso wie anderen heimischen Airlines zugute kämen. So habe man speziell den Streit über die Landerechte der AUA in Russland, die auf der Kippe standen, ausräumen können.

Siegl ist indes überzeugt, dass der Spielraum der Politik bei der privaten Lufthansa gering ist. "Man kann nur als regulierende Behörde beim Luftverkehrsplan eingreifen. Aber das ist begrenzt."

"Die Unterstützung für die AUA in den vergangenen Jahren war immens", sagt hingegen Stefan Schönfelder, Verkehrsexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) - er verweist unter anderem auf die viel diskutierte "Mitgift" von 500 Millionen Euro, die die Republik der Lufthansa zusätzlich zur (hoch verschuldeten) Airline mitgab. Er würde der Politik keine weiteren großen Zugeständnisse empfehlen.

Für den Flughafen Wien sei die AUA als einziger Netzwerk-Carrier zwar schon von Bedeutung: Der neue Terminal Skylink sei auf Wachstum ausgerichtet - und die Zuwachsprognosen wären ohne AUA wohl nicht aufrechtzuerhalten. Zumindest auf rentablen Strecken würde rasch Ersatz parat stehen, prognostizieren Schönfelder und sein Wifo-Kollege Oliver Fritz: "Wenn auf einer Strecke die Nachfrage vorhanden ist, findet sich eine Airline, welche diese fliegt." Für absolute Billigst-Airlines wie Ryanair sei der Flughafen Wien aufgrund seiner Kostenstruktur allerdings uninteressant - profitieren könnte davon der nahe gelegene Flughafen Bratislava.

Geht es mit der AUA bergab oder bringt die Fluglinie die Turbulenzen doch gut hinter sich?
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Der Flughafen Wien selbst hält sich über die konkreten Auswirkungen bedeckt: "Diese hängen von den Entwicklungen bei der AUA ab", heißt es offiziell. Zu hören ist jedoch, dass bei einer massiven Schrumpfkur für die AUA auch der neue, fast eine Milliarde Euro teure Skylink-Terminal fragwürdig würde: "Skylink ist eigentlich für den schnellen Umsteigeverkehr, also für das Drehkreuz der AUA, konzipiert worden. Wenn dieser Verkehr nicht mehr gegeben ist, dann muss man sich schon die Frage stellen, ob man wirklich ein solches Terminal-Gebäude mit drei Ebenen braucht - oder ob es auch eine simple Abfertigungshalle getan hätte", heißt es aus Flughafen-Kreisen.

Zumindest bei Urlaubsreisen müssen Konsumenten keine Einschränkungen befürchten: "Im Charterbereich erwarte ich keinerlei Auswirkungen, hier ist die Flexibilität sehr hoch - und andere Anbieter können übernehmen", sagt Norbert Draskovits, Chef des österreichischen Reisebüro-Verbandes.