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Wer das Amt in Frage stellt . . .

Von Helmut Dité

Politik

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"Schockiert" über die geringe Wahlbeteiligung zeigte sich Nationalratspräsident Andreas Khol. Nachdenklichkeit sei angebracht, wenn die Bevölkerung dem Amt des Bundespräsidenten ein so geringes Interesse entgegenbringt, äußerte Vizekanzler Hubert Gorbach.

In der Tat haben gestern lediglich 70,76 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht, 1998 waren es noch 74,40 Prozent. Ein Grund dafür mag gewesen sein, dass nur zwei der vier im Nationalrat vertretenen Parteien einen Kandidaten ins Rennen schickten, und daher die Stammklientel der Grünen und der Blauen - auch mangels klarer Empfehlungen - weniger motiviert war, zur Wahl zu gehen, wie Heinz Fischer, ebenfalls "etwas traurig" über die gesunkene Wahlbeteiligung, analysierte.

Heller wird das Bild, wenn man es regional differenziert betrachtet: In Vorarlberg blieb gleich jeder zweite Wähler zu Hause, die Beteiligung lag um satte 35 Prozentpunkte unter der von 1998. In Tirol gingen um 10 Prozent weniger zu den Urnen, in Salzburg um 6,5 Prozent, in Kärnten um 6 Prozent. Das sind die vier Bundesländer, in denen Ferrero-Waldner die Mehrheit holen konnte - wer weiß, was dort bei höherer Beteiligung noch alles für sie drin gewesen wäre.

In Wien lag die Wahlbeteiligung dagegen um 0,1 Prozentpunkte höher als 1998, im Burgenland sogar um 3 Prozent. In Niederösterreich blieb der Prozentsatz der Wahlbeteiligung gleich, in Oberösterreich und der Steiermark gab es einen vergleichsweise moderaten Rückgang um jeweils rund 2,5 Prozent. Das sind die fünf Bundesländer, die - teils überraschend - Heinz Fischer gewann und die ihn letztlich zum Bundespräsidenten machten.

Ein erster Analyseversuch kam noch am frühen Abend aus Oberösterreich: "Je höher der bisherige FPÖ-Wähleranteil, desto geringer die Wahlbeteiligung", stellte der Chefstatistiker der dortigen Landesregierung fest.

Ohne den Wählerstromanalysen vorzugreifen, kann man wohl getrost noch weiter gehen: Viele Wähler im Westen folgten den Boykottaufrufen etwa des Vorarlberger FPÖ-Landesstatthalters und den Tiroler und Salzburger Sticheleien gegen Klestils Amtsführung und das "monarchistische" Präsidentenamt überhaupt und blieben zu Hause. Unterdessen hat Jörg Haiders mehr oder weniger offene Wahlempfehlung für Ferrero-Waldner ihr zwar in Kärnten ein wenig genutzt. Aber im Osten und Süden und vor allem in Wien hat der Kärntner Landeshauptmann damit in der allerletzten Woche die SPÖ vom Trab in den Galopp versetzt - und besonders die Grünen motiviert, zur Wahl zu gehen. Fischer bekam letztlich in der Bundeshauptstadt fast die Zweidrittelmehrheit, schöpfte das Rot-Grün-Potential ähnlich aus wie Michael Häupl bei der letzten Gemeinderatswahl.

Danke Jörg, könnte man - schockiert oder nachdenklich - ruhig sagen.