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Bei einem Gas-Lieferstopp weiß man genau, wem die Reserven zuerst zugeteilt werden: Haushalten und kritischer Infrastruktur. Für den Rest braucht es eine klare Prioritätensetzung.
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Die Lebensmittelindustrie, die Papierindustrie, die Stahlindustrie sie alle, und noch andere mehr, haben seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs ihre Wichtigkeit für das Aufrechterhalten des täglichen Lebens betont. Russlands Machtspiel mit dem Gas und die Drohgebärden Wladimir Putins, Europa das Gas abzudrehen, versetzte Österreich, das zu 80 Prozent von russischen Erdgaslieferungen abhängig ist, in Alarmstimmung.
Mit der Änderung des Energielenkungsgesetzes, das am Donnerstag im Parlament erfolgte, hat die Industrie jetzt wenigstens die Gewissheit, dass sie im Lenkungsfall weiterhin auf ihr bevorratetes Gas zugreifen darf, beziehungsweise finanziell entschädigt wird.
Zur Erklärung: Auf Basis des Gesetzes kann der Staat in Notfällen auf das in Österreich lagernde Gas zugreifen und es nach Dringlichkeit verteilen. Um dennoch die industriellen Großabnehmer und -verbraucher nicht vom Speichern von Reserven abzuhalten, wurde beschlossen, dass gespeichertes Gas im Ausmaß von 50 Prozent des Jahresverbrauchs von etwaigen Lenkungsmaßnahmen ausgenommen ist. Diese auf drei Jahre befristete Maßnahme sei vor allem auf kurze Sicht wichtig und soll dazu beitragen, dass bis zum Herbst die Speicher gefüllt sind, sagte Klimaministerin Leonore Gewessler zu einem früheren Zeitpunkt, denn man müsse für alle Eventualitäten gewappnet sein.
Wenn im Krisenfall die Energieversorgung bedroht ist und der Staat die Gasreserven der Industrie anzapfen muss, um etwa Kraftwerke am Laufen zu halten, dann wird der Kaufpreis samt Speicherkosten und Netznutzungsentgelten ersetzt. Diese Entschädigungsregelung galt bisher nur für feste und flüssige Energieträger und wird mit der Novelle auf Lenkungsmaßnahmen im Bereich Elektrizität und Erdgas erweitert.
In Bezug auf die Versorgungssicherheit ist dennoch Tempo angesagt. "Das Risiko einer bevorstehenden signifikanten Einschränkung der Gasverfügbarkeit in Österreich ist hoch", heißt es in einer Analyse des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Demnach gibt es verschiedene Optionen, sich darauf vorzubereiten.
Wifo: Regierung muss jetzt schon Prioritäten setzen
Der erste Schritt wäre, Gas einzusparen, sowohl in den Haushalten als auch in der Industrie. Ein Anreiz dafür könnte sein, ein Bonussystem einzuführen, das sparsamen Umgang mit Erdgas belohnt, oder auch Tarife, die Sparen fördern und "über reine Preiserhöhungen hinausgehen", so die Ökonomen. Für den Fall, dass alle Reserven aufgebraucht sind und auch kein Gas aus Russland kommt, würde man Gas über Auktionen kaufen müssen. Welche Bereiche das Gas schließlich nützen können, das müsse die Politik schon im Vorfeld festlegen und sich die Frage stellen: Wie intensiv ist die Erdgasnutzung und lassen sich die damit hergestellten Güter aus dem Ausland importieren? Auch der Wertschöpfungsanteil der Güter am österreichischen Bruttoinlandsprodukt könnte laut Wifo als Differenzierungsmerkmal gelten.
Die Liste der Güter könnte wie folgt aussehen: Die höchste Priorität bei der Zuteilung von Erdgas genießen die schwer substituierbaren Güter mit einer niedrigeren Erdgasintensität, die einen hohen Anteil am BIP haben, gefolgt von jenen mit einer hohen Erdgasintensität und den sonst gleichen Merkmalen, heißt es in der Analyse etwas technisch. Konkrete Sparten und Güter nannten die Experten in dem Research Brief nicht, vielmehr sollen die Vorschläge als Diskussionsgrundlage dienen. Klar ist jedoch, dass der Höchstbieter für eine bestimmte Menge Gas erst dann den Zuschlag erhält, wenn er die Kriterien erfüllt.