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Haben Sie einen akademischen Titel in der Tasche? Studium und beste Note alleine genügen nicht, um den Einstieg ins Berufsleben zu schaffen - sprich: einen geeigneten, gut dotierten Vollzeitjob zu finden. Praxiserfahrung, Auslandsaufenthalte, Fremdsprachenkenntnisse und so genannte "soft skills" - das sind die Kompetenzen, auf die es ankommt, wenn Unternehmen drauf schauen, was in den akademischen Jobwerbern drinnen ist. Das hat ein Rundruf der Wiener Zeitung unter Österreichs Personalberatern ergeben. Sie vermitteln Arbeitskräfte, nach eigenen Angaben, quer durch alle Branchen sowohl an Großkonzerne als auch an Klein- und Mittelbetriebe.
Auslandserfahrung, die über zwei Monate und den Urlaub in der fremden weiten Welt hinaus geht, sowie Fremdsprachen - über Englisch, eine "Selbstverständlichkeit", hinaus - damit können Jungakademiker punkten. Bereits während des Studiums sollte der Blick über den eigenen Tellerrand gewagt, der persönliche Horizont erweitert und sollten persönliche Kontakte für das spätere Berufsleben geknüpft werden, so Peter Gusmits von der Personalberatung Neumann pragmatisch. Worauf großer Wert gelegt wird, ist die emotionale Schiene: Auf Fähigkeiten wie Einsatzbereitschaft, Dienstleistungsorientierung, Aufgeschlossenheit und Eigeninitiative kommt es Christian Nitsche, Geschäftsführer von Phoenix, an. Die soziale Kompetenz ist (nicht nur) für jene besonders wichtig, die eine Führungsfunktion anstreben. Zudem sei heute auch ein Spezialwissen nicht schlecht. Wer Ethnologie oder Sinologie studierte, wurde vor zehn Jahren noch ausgelacht, berichtet Unternehmensberater Othmar Hill. Um die geisteswissenschaftlichen (Gewi) Studienrichtungen sei es überhaupt gar nicht so schlecht bestellt. "Es gibt genug Generaldirektoren, die sich Gewi-Absolventen leisten".
Welche Studienrichtungen bieten die besten Berufsaussichten? Wirtschaft, Jus oder gar Medizin sind längst nicht mehr die bewährten, weil einst Job sichernden Studienrichtungen. Im Moment stürzen sich viele Absolventen auf Beraterberufe - "eine Modeerscheinung" (O-Ton Hills: "den Akademikern fällt nichts anderes ein"), die Personalberater auf eine verfehlte Bildungspolitik hierzulande zurückführen. Massenuniversität und mangelnde Berufsberatung heißen die Hauptkritikpunkte. Die Ausbildung, egal ob in der Schule ("Betriebswirtschaftslehre wird von Lehrern unterrichtet, die nie in einem Betrieb gearbeitet haben") oder an der Universität, wird als "lebens- und wirtschaftsfern" kritisiert. "Wahnsinnige Wissenschafter" würden die Unis als "vergeistigte Tintenburgen" besetzen, die dann absolut am Bedarf vorbei produzierten. Mit einiger Erleichterung wurden von Unternehmerseite daher die praxisorientierteren Fachhochschulstudiengänge aufgenommen. Die Universitäten hätten weniger den Auftrag zur Berufsvorbereitung als vielmehr zur akademischen Ausbildung, wird von politischer Seite argumentiert.
Die Berufe der Zukunft liegen zum Teil in den modernen Medien, der Informatik in Verknüpfung mit Telekommunikation. Mit den schnellen Umwälzungen in diesem Bereich könnten die Betriebe vielfach nicht mithalten, Nachwuchskräfte mit dem entsprechend aktuellen Know-how werden gesucht. In dieser Branche werden EU-weit in den kommenden fünf Jahren schätzungsweise 250.000 Stellen vakant. Die Agentur Hill etwa vermittelt indische und bulgarische Informatiker in die USA, wo die "green card", die Aufenthaltsgenehmigung, an 300.000 begehrte ausländische Arbeitskräfte in der Telekommunikation ausgestellt wird. Zukunftsträchtig sind weiters spezielle Studienrichtungen wie Biotechnologie oder Europarecht. Out sind Politikwissenschaft oder Chemie. Umwelt und Kunst werde man sich auch weiterhin gönnen. Stichwort "Lehramt an Schulen": Boomen werden hier Reparaturberufe wie "Psychagoge" oder "Soziogoge", um in der Ausbildung von Jugendlichen der "psychohygienischen Verwahrlosung" Herr zu werden, sagt Managementberater Hill, der gleichzeitig Vorsitzender der österreichischen Wirtschaftspsychologen ist.
Fazit: Als aussichtsreich auf einen späteren Job kann seriöser Weise kein bestimmtes Studium empfohlen werden. "Jeder soll studieren, was ihm am Herzen liegt, wichtig ist, dass die Persönlichkeit stimmt." Niemand solle sich durch Statistiken abschrecken lassen. Nur sollte auch ein Liebhaberstudium nicht zum Selbstzweck gewählt werden. Ein zusätzliches Studium für den "worst case", so Berater Gusmits, sei allemal von Vorteil. Und: Je höher die Ausbildung, umso besser. "Wir könnten in Österreich noch mehr Absolventen brauchen", findet Phoenix-Geschäftsführer Nitsche. "Es steht gut wie nie um Akademiker." Ein in einer annehmbaren Dauer absolviertes Studium ist freilich nur die Voraussetzung, um in einer bestimmten Liga mitspielen zu dürfen. Wer Meister wird, weist sich später.
Das Arbeitsmarktservice (AMS) hat für die einzelnen Studienrichtungen Informationsbroschüren zu den jeweiligen Jobchancen herausgegeben. Zu beziehen beim AMS Österreich, Tel. 01/331 78-0 oder über das Wissenschaftsministerium, Tel. 01/53 120-0. Über Berufsaussichten von Akademikern informiert auch der vom Wissenschafts- und dem Unterrichtsministerium gemeinsam mit dem AMS herausgegebene Wegweiser "Universitäten, Hochschulen ´99: Studium & Beruf", der ebenfalls beim Wissenschaftsministerium erhältlich ist.