Zum Hauptinhalt springen

Wer fährt, zahlt

Von Brigitte Pechar

Politik

Wie sollen Autobahngebühren in Europa künftig geregelt sein? Und vor allem: Wie teuer sollen Transport und Individualverkehr werden? Die "Wiener Zeitung" hat Verkehrsexperten dazu befragt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Der Südtiroler Speck ist eine Spezialität und mit dem EU-Siegel "g.g.A.", was geschütze geografische Angabe" bedeutet, ausgestattet. Er wird 22 Wochen gereift, ehe er zum Verzehr verschickt wird. Aber der Speck hat schon vor seiner Reifung einige Kilometer sozusagen im Schlegel. Denn die Schweinehälften werden oft tausende Kilometer weit angekarrt, in einer Südtiroler Fabrik geräuchert und gereift und dann wieder exportiert.

"Das ist nur möglich, weil der Transport so billig ist", sagt Verkehrsexperte Helmut Holzapfel von der Universität Kassel zur "Wiener Zeitung". Er kritisiert: "Europaweit wird - weil ein Exportland wie Deutschland glaubt, es würde davon profitieren - der Lkw-Verkehr subventioniert."

Transport-Distanzen in30 Jahren verdoppelt

Die Transport-Distanzen für Konsumgüter insgesamt haben sich in den letzten 30 Jahren in etwa verdoppelt - wie die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik berechnet hat. Österreich ist als Transitland - zwei Drittel des Lkw-Güterverkehrs, der durch Österreich rollt, entsteht durch Firmen aus dem Ausland - besonders betroffen von höheren Transportvolumina. Vor allem Tirol, weshalb Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) zunehmend ungeduldig und in seinen Maßnahmen zur Verkehrseindämmung rigoroser wird. Worüber wiederum in Bayern Unmut herrscht. Zuletzt hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine europaweite Lösung der Maut ins Spiel gebracht.

Über die Frage, wie Autobahngebühren in Europa künftig geregelt sein sollen, haben die EU-Verkehrsminister zuletzt Anfang Juni debattiert. Der Vorschlag der EU-Kommission, zeitgebundene Mautsysteme - die Vignette - in Bälde abzuschaffen und durch streckenabhängige Gebühren zu ersetzen, findet wenig Anklang unter den Mitgliedstaaten. Österreich ist besonders skeptisch.

Frächter suchenden günstigsten Weg

Aus der Vertretung der EU-Kommission in Österreich heißt es dazu: Frächter suchen den günstigsten Weg aus. Es gehe um die technische Verfügbarkeit und um Einfachheit von Alternativen. Daher brauche es mehr Terminals, die an Straßen, Wasserstraßen und Schienen andocken. Als positives Beispiel wird hier der Wiener Hafen genannt. Was die Maut betrifft, hieß es aus der EU-Vertretung, es brauche eine sinnvolle Lösung, die Umgehungsmöglichkeiten ausschließe. Und schließlich sei auch der Kampf gegen den Klimawandel zu berücksichtigen. "Emissionen müssen einen Preis haben, damit das Verhalten geändert wird."

"Ich glaube nicht, dass es in absehbarer Zukunft eine EU-weite Pkw-Maut gibt", sagt Verkehrsexperte Holzapfel. Der Grund: Es gibt zu viele unterschiedliche Eigentumsverhältnisse bei den Straßen - in Italien und Frankreich sind die Autobahnen großteils oder zur Gänze privat. Und es gibt zahlreiche unterschiedliche Systeme, selbst bei den Vignetten.

Im Übrigen glaubt Holzapfel, dass Söders Vorschlag einer europaweiten Maut eine Ablenkung davon ist, "dass man es nicht geschafft hat, in Deutschland eine vernünftige Lösung zu finden, die funktioniert".

Schwerverkehr muss europäisch geregelt sein

Sein Kollege Heiner Monheim, Professor Emeritus der Uni Trier, sagt: "Schwerverkehr muss europäisch geregelt werden - und zwar zeitgerecht." Tatsächlich müsse es ein System geben, das alle Fahrzeuge und Wege umfasse - vom Feldweg über die Autobahn bis zum ruhenden Verkehr. Gezahlt müsse nach Gewicht des Fahrzeugs, nach Emissionen, nach Uhrzeit usw. werden. "Das ist die Einführung der Marktwirtschaft im Verkehr." Am einfachsten wäre nach Ansicht Monheims ein Boardcomputer in jedem Fahrzeug, der wie ein Taxameter permanent die Kosten ausweist. "Wer fährt, zahlt", sagt er. Dann würden viele Transporte mit der Bahn erfolgen und viele auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen.

Er verweist auf eine Studie der niederländischen Hochschule Delft, die deutlich weniger Verkehr, weniger Emissionen und weniger Unfälle bei intelligenten Lösungen vorhersagt. Allerdings gesteht der Verkehrswissenschafter zu, dass es für eine europäische Lösung wegen der unterschiedlichen Systeme Übergangsfristen braucht. Aber in fünf Jahren, so glaubt er, wird es eine europäische Maut geben.

Ein Lkw richtet 50.000mal mehr Schaden an als ein Pkw

"Natürlich brauchen wir eine vernünftige Maut", sagt auch Holzapfel. Ein schwerer Lkw würde mehr als 50.000mal so viele Schäden anrichten wie ein Pkw (verglichen wird hier ein mehr als vier Meter langer Lkw ab 42 Tonnen mit einem Pkw von 1,5 Tonnen). Aber auch hier würde es nur helfen, wenn man in einem ersten Schritt um den Faktor zwei bis drei teurer wird. "Es muss sich aber die Politik generell ändern, wenn wir 2050 klimaneutral unterwegs sein wollen." Dazu bräuchte es eine Abkehr von der desaströsen Verkehrspolitik und es müsse zu einer massiven Verlagerung der Güter auf die Bahn kommen. Der Lkw-Verkehr müsste dann um den Faktor zehn teurer werden, sagt Holzapfel.

Würde man für Lkw die Kosten verzehnfachen, würde das in Österreich für schwere Brummer drei Euro pro Kilometer ergeben. "Das ist illusorisch", sagt Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der WU Wien. Und das würde periphere Gegenden noch einmal benachteiligen. Österreich habe schon heute mit Abstand die teuerste Lkw-Maut in der EU. Nur die Schweiz sei noch teurer.

Moderate Mauterhöhunghätte nur geringen Effekt

Außerdem, sagt Kummer, werde durch eine moderate Preisgestaltung bei der Maut nur eine minimale Verlagerung auf die Schiene erreicht. Zudem wäre die Bahn, die in Österreich mit der Rail Cargo ein gutes Angebot habe, gar nicht in der Lage, den gesamten Transport aufzunehmen. Und drittens, so Kummer, mache es auch ökologisch keinen Sinn, kurze Strecken auf die Bahn zu bringen.

Mehr Wirkung als eine Maut hätten andere Maßnahmen wie Nachtfahrverbote oder Kontingente(wenn in der Schweiz eine bestimmte Lkw-Anzahl im Land ist, wird für den Transit geschlossen). Viel wichtiger als ein europäisches Mautsystem wäre es, leistungsfähige Alternativen zu schaffen, sagt Kummer.