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Ein Sonntagvormittag in einer rosa Wiener Konditorei. Drei distinguierte Damen höheren Alters nehmen zu ihrer Schlagobers-Melange ein Kleinformat zu sich. Dann ein entsetztes Aufblicken in die Runde. Der Grund der jähen Entrüstung folgt alsbald: "Der Papst will das ,Vater unser‘ ändern!" In der Tat hat Papst Franziskus vergangene Woche einen Denkanstoß zum berühmtesten christlichen Gebet geliefert. Er findet, die Zeile "Und führe uns nicht in Versuchung", die in der deutschen und auch der italienischen Version vorkommt, sei keine gute Übersetzung, denn sie würde ein negatives Gottesbild vermitteln. "Lass mich nicht in Versuchung geraten", träfe es besser, denn: "Wer dich in Versuchung führt, ist Satan."
Auch wenn das "Vater unser" einen besonderen Stellenwert hat, weil es von Jesus selbst überliefert sein soll, war dem Pontifex wahrscheinlich nicht bewusst, welche Sprengkraft sein Urteil über auf den ersten Blick harmlose sechs Worte hat. Theologen widersprechen der franziskanischen Theorie schon. "Die Prüfung des Menschen durch Gott - nehmen Sie Abraham oder Hiob im gleichnamigen Buch des Alten Testaments - ist ganz, ganz tief drin in der DNA der Bibel", analysiert auch recht nachvollziehbar der Deutsche Tomas Söding. Der kann sich jetzt schon auf einen Anruf aus dem Vatikan einstellen, bekanntlich ist der Papst ja ein Freund der überfallsartigen fernmündlichen Aussprache. Mit einem persönlichen Telefonat lassen sich vielleicht ein paar Gläubige von einer Änderung überzeugen. Eventuell, wenn er sich sehr reinhaut, sogar die Damen aus der Aida.