Spielt die Herkunft von Tätern bei Berichten über Sexualdelikte eine Rolle? Seit Köln stehen Flüchtlinge unter Generalverdacht.
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Wien. Ein 22 Jahre alter Mann soll in Wien mehrere versuchte Vergewaltigungen begangen haben. Im Zeitraum vom 4. Jänner bis zum 2. Februar soll er an drei verschiedenen Orten drei junge Frauen verfolgt und gewaltsam bedrängt haben, wie die Wiener Polizei am Dienstag mitteilte. In allen drei Fällen konnten sich die Opfer nur mit Glück befreien und flüchten. Detail am Rande: Der mutmaßliche Täter war Mazedonier. Er lebte als sogenanntes U-Boot in der Bundeshauptstadt.
Bei Polizeimeldungen wie dieser muss sich der Qualitätsjournalismus der Frage stellen, inwieweit die Staatsbürgerschaft eines Täters für die Berichterstattung erheblich ist. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass sie es nicht ist. Denn keiner Nationalität oder Kultur kann von vornherein unterstellt werden, zu Sexualdelikten zu neigen. Eine solche Behauptung wäre absurd verallgemeinernd und käme einer pauschalen Verurteilung gleich.
Polizei habe Vorfälle verheimlicht, so der Vorwurf
Trotzdem werden die Stimmen immer lauter, die genau das fordern. Denn seit den mutmaßlichen sexuellen Übergriffen in Köln sind sich viele Beobachter einig, dass die kulturelle Herkunft der Täter ein Mitgrund für die Tat sei. Sie sind misstrauisch geworden, vermuten, die Polizei hätte die Vorfälle in Köln mutwillig verheimlicht. Sie sagen, es war Absicht.
In dieselbe Kerbe schlägt nun auch der österreichische Journalist Andreas Unterberger. In seinem Blog beschuldigt er die Wiener Polizei, ein Verbrechen vom Dezember absichtlich geheim gehalten zu haben, da es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen Flüchtling aus dem Irak handle. Er fordert den Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Prüstl sogar zum Rücktritt auf.
Die Beschuldigungen des Bloggers beziehen sich auf die verzögerte Veröffentlichung der Geschehnisse vom 2. Dezember im Theresienbad in Meidling. Damals war ein zehnjähriger Bub anal vergewaltigt worden, wie die "Wiener Zeitung" berichtete. Die Polizei verteidigte ihr Vorgehen mit dem Argument des Opferschutzes.
Für viele eine Lüge. Auch Unterberger ortet eine "linke Political Correctness", die die Sicht auf die Folgen einer "absurden Willkommens-Euphorie" verstelle. Nun drängt sich die Frage auf, ob Informationen über die Herkunft des Täters in der journalistischen Berichterstattung für etwaige politische Zwecke instrumentalisiert werden - sei es durch ihre Nennung oder eben durch ihre Nicht-Nennung. Wird die Herkunft der Täter dafür missbraucht, Angst vor den Flüchtlingen zu schüren? Oder greift der Vorwurf der absichtlichen Verheimlichung, um die Dinge zu verharmlosen?
Für Fritz Hausjell, Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, hat die Herkunft eines Täters selten etwas mit den Gründen für die Tat zu tun. "In der Regel gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Ethnie einer Person und deren Anfälligkeit für Straftaten", sagt Hausjell. Die Faktoren, die zu einer kriminellen Handlung führen, sind andere. "Hier spielt der gesellschaftliche Status oder das Geschlecht eine große Rolle, die Herkunft oder die Hauptfarbe allerdings nicht. Überspitzt formuliert ist sie gleichbedeutend mit der Schuhgröße." Die Soziologie und Kriminalwissenschaft vergleicht immer wieder Gruppen gewissen Alters, sozialen Standes, Bildung und Geschlecht mit deren Herkunft. "In keiner der zugewanderten Gruppen war die Kriminalitätsrate höher als bei Österreichern."
Unter dem permanenten Druck der drohenden Abschiebung
Ganz im Gegenteil. Oft ist sie bei Zuwanderern sogar signifikant niedriger. Das sei nicht darauf zurückzuführen, dass sie bessere Menschen wären. Vielmehr sei "ihr Druck höher, sich gesellschaftskonform zu verhalten, denn ihnen droht permanent die Abschiebung", sagt Hausjell. Meist seien sie sehr angepasste Menschen.
Die mediale Berichterstattung erinnere ihn an die 1970er Jahre. "Da wurde vielen Gastarbeitern in Zeitungen Verbrechen in die Schuhe geschoben, die sie gar nicht begangen haben. Sie wurden sogar für die steigenden Verkehrsdelikte verantwortlich gemacht."
Einen Grund für diese Schieflage der Berichterstattung sieht Hausjell im politisch geführten Diskurs in Österreich, der seit vielen Jahren von der FPÖ geprägt sei. "Die FPÖ hat sich ganz massiv auf das Thema Kriminalität im Zusammenhang mit Zuwanderung gesetzt", sagt der Publizist. Daher komme es auch, dass bei der Nicht-Nennung der Herkunft von Tätern oft sofort eine Ethnie in Verdacht geraten würde. "Das waren bestimmt wieder die Syrer", vernimmt man dann in der Straßenbahn.
Ein doppeltes Dilemma für die objektive Berichterstattung über Gewaltverbrechen. Eine Lösung wäre, sich die Kriminalstatistik genauer anzusehen und dem Leser die sozialen Verhältnisse der Täter näherzubringen. "Die Vorfälle in Köln waren ein Gruppenphänomen, hier spielt natürlich die Herkunft der mutmaßlichen Täter auch für den Leser eine Rolle", sagt Hausjell. Andere Fragen seien allerdings dringlicher. Welcher Art von Gruppe gehörten die Täter an? Handelte es sich um Bandenbildung? Hatte die Flüchtlingsbewegung selbst etwas mit der Tat zu tun oder spielten vielmehr andere Komponenten eine Rolle? "Zeitungen, die nur schreiben, dass die Täter Flüchtlinge waren, machen es sich einfach. So stillt man nicht das Bedürfnis der Leserschaft nach Objektivität."
Ob es nun angemessen sei zu erwähnen, ob der mutmaßliche Vergewaltiger Mazedonier ist oder nicht, sei dahingesellt. Die meisten Zeitungen werden es ohnehin tun. Und die Information wird Reaktionen hervorrufen. "Aha, schon wieder ein Flüchtling", wird es heißen. Fest steht, dass wir noch kaum etwas über den mutmaßlichen Täter wissen, nur woher er kommt. Schuhgröße gefällig?
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