Arbeiterkammer-Wien-Direktor Muhm pocht auf vermögensbezogene Steuern.
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Wien. Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, reich zu sein? Und zu jenen zu gehören, die das meiste Vermögen besitzen? In Österreich entfallen konkret 37 Prozent des Gesamtvermögens auf ein Prozent der Bevölkerung, wie eine Nationalbank-Studie ergeben hat. In Zahlen sind das 469 Milliarden Euro. Auf die ärmere Hälfte der Gesellschaft entfallen deutlich unter fünf Prozent: Dass der Wohlstand im Sozialstaat Österreich gleichmäßig verteilt ist, hat sich mit dieser, im Sommer veröffentlichten Studie als Illusion entpuppt.
Warum das Vermögen derart ungleich verteilt ist und die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klafft, war Thema der dritten Armutskonferenz am Mittwoch in Wien. Veranstalter Werner Muhm, Direktor der Arbeiterkammer Wien, pochte in seiner Eingangsrede auf vermögensbezogene Steuern. "Die Gretchenfrage ist, wie es den Vermögenden gelingt, die Spaltung zwischen Arm und Reich zu legitimieren und zu verteidigen", sagte er. Eine Vermögens- und Erbschaftssteuer sind Kernforderungen der SPÖ, über die sogenannte Millionärsabgabe sollen mindestens zwei Milliarden Euro hereinkommen, um zumindest einen Teil des Budgetlochs zu füllen. Die ÖVP steuert dagegen.
Geringe Wahlbeteiligung arbeitsloser Menschen
Mit seiner Forderung heizte Muhm eine Diskussion an, die die Aktualität - und offensichtlich auch Ausweglosigkeit der Situation verdeutlichte. "Denn wer Geld hat, hat Macht", sagte der deutsche Soziologe Michael Hartmann von der Technischen Universität Darmstadt auf der Konferenz.
Einerseits untermauerte er diese Behauptung mit rein statistischen Erhebungen bezüglich des Wählerverhaltens. Demnach "klinkt sich der einkommensschwächste Teil der Gesellschaft zunehmend aus dem Politgeschehen aus". In Deutschland sei die Wahlbeteiligung in Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit und vielen Hartz-IV-Empfängern zwanzig Prozentpunkte niedriger als in Stadtteilen mit wohlhabenderen Bevölkerungsschichten. Und Reiche halten Reichtum eher für gerechtfertigt als jene, die von einer Erbschafts- und Vermögenssteuer gar nicht betroffen wären, was sich freilich in ihrer Wählerstimme widerspiegelt.
Geldleistungen durch Stiftungen verschoben
Andererseits sei der gesamte Politikerapparat zunehmend von "Großbürgerlichen" durchzogen, so Hartmann. Generell stammten die Reichsten der Gesellschaft zu zwei Drittel aus wohlhabenden, großbürgerlichen Familien, der Rest aus dem Arbeitermilieu. "Etwa seit der Jahrtausendwende sitzen kaum noch Arbeiterkinder in der politischen Elite. Das prägt deren Entscheidungen." Davor fanden sich zahlreiche Handwerker unter den Entscheidungsträgern. Rudolf Sallinger (ÖVP) zum Beispiel, von 1966 bis 1980 Abgeordneter zum Nationalrat, war gelernter Maurer und Steinmetzmeister. Sein Gegenüber, der Gewerkschafter Anton Benya (SPÖ), hatte eine Lehre zum Elektromechaniker absolviert.
Ein weiteres, wesentliches Werkzeug der Macht, das zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind laut Hartmann Stiftungen. Das Problem dabei: "Wer Geld bekommt, orientiert sich nach denen, die hinter der Stiftung stecken. Das unterliegt keiner öffentlichen Kontrolle und richtet sich auch nicht danach, was sinnvoll im öffentlichen Interesse wäre. Sondern die Stiftung entscheidet, was sie gut oder nicht gut findet." Daraus resultiere eine Verschiebung der Gestaltungsmacht.
"Dadurch driftet die Gesellschaft immer weiter auseinander", resümierte Hartmann. Die große Mehrheit der Österreicher will aber offensichtlich gegensteuern - wenn auch nicht im eigenen Land. Laut einer am Mittwoch in Brüssel veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage ist für 82 Prozent der Österreicher die Unterstützung von Menschen in Entwicklungsländern wichtig. 56 Prozent sprechen sich trotz wirtschaftlicher Krisenzeiten für eine Beibehaltung der Höhe der Entwicklungshilfezahlungen aus. 18 Prozent der Befragten treten sogar für eine Erhöhung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit ein. Österreich liegt damit über dem EU-Durchschnitt (50 respektive elf Prozent) und rangiert nach Schweden an zweiter Stelle.
Trotz der laut Studie relativ hohen Zustimmung der Bevölkerung für EZA gehört Österreich bei den staatlichen Ausgaben zu den europäischen Schlusslichtern. 2012 betrug der Anteil von Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen (BNE) lediglich 0,28 Prozent - einschließlich Entschuldungsmaßnahmen, Flüchtlingshilfe oder Stipendien. Der europäische Schnitt beträgt 0,43 Prozent. Von seinem Einkommen will man sich offensichtlich ungern trennen, damit die Ärmeren etwas davon haben. Sowohl gesamtstaatlich, als auch individuell betrachtet.
Veranstaltet wurde die 3. Reichtumskonferenz von eranstalterInnen: Arbeiterkammer, Attac, Beigewum, Die Armutskonferenz, Globale Verantwortung, Greenpeace, Evangelische Akademie Wien, Katholische Sozialakademie Österreich, Österreichische HochschülerInnenschaft
UnterstützerInnen: BMASK, GPA-djp, Katholische ArbeitnehmerInnenbewegung, ÖGB.
Link: 3. Reichtumskonferenz