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Wer haftet für Corona-Impfschäden?

Von Daniel Bischof und Petra Tempfer

Politik
Vor der Impfung gegen Covid-19 muss jeder Patient einen Impffragebogen ausfüllen.
© adobe stock/Sasha Al

Nach dem Impfschadengesetz kann der Bund haftbar gemacht werden. Ob ein Anspruch besteht, muss aber erst in einem Verfahren samt Gutachten geklärt werden. Einige Fälle landeten bereits vor Gericht.


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Ein wenig Unbehagen vor der herannahenden Nadel, ein unangenehmer Stich, und vorbei ist es. Im Idealfall laufen die meisten Impfungen so ab. Vereinzelt können aber auch Impfschäden auftreten und damit Ersatzansprüche entstehen.

Wenig Erfahrung gibt es dabei noch mit dem seit 21. Dezember europaweit bedingt zugelassenen Covid-19-Impfstoff von Biontech und Pfizer. Er gilt zwar als weitgehend sicher, bekannt ist aber, dass in Einzelfällen schwere allergische Schocks auftreten können. Auch Spätfolgen können von vornherein nicht völlig ausgeschlossen werden - das gilt generell aber auch für Impfungen, die einen längeren Zulassungsprozess durchlaufen haben.

Bei den Covid-19-Impfungen geht Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie an der MedUni Wien, davon aus, dass Impfschäden vermutlich höchst selten auftreten dürften. Zudem müsse man die Anzahl der Personen, die einen Impfschaden erleiden, immer in Relation zu all jenen setzen, die aufgrund der Impfung andere Personen nicht anstecken, nicht erkranken oder sterben, sagt er.

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"Man darf nie vergessen, dass man aus der Impfung einen potenziellen Vorteil zieht und sie vor allem auch der Gesundheit der Gesamtbevölkerung dient", meint Zeitlinger. Bisher unbekannte Nebenwirkungen seien bei Impfungen aber immer möglich. Die Frage, wer dafür haftbar gemacht werden kann, gewinnt angesichts der angelaufenen Covid-19-Impfung an Brisanz.

Haftung des Staates gesetzlich geregelt

Wann der Bund für Impfschäden haftet, ist in Österreich im Impfschadengesetz geregelt. Es wurde im Jahr 1973 erlassen und gilt auch für die Covid-19-Impfung. Denn diese wurde vom Gesundheitsministerium bereits in die Verordnung über empfohlene Impfungen aufgenommen. Und auf alle dort genannten Impfungen ist auch das Impfschadengesetz anwendbar.

Sollte es zu einem Impfschaden kommen, muss der Bund die Behandlungs- und Rehabilitationskosten zahlen. Auch eine Beschädigtenrente kann bei Dauerschäden fällig werden. Allerdings ist nicht jede Beeinträchtigung nach einer Impfung gleich ein ersatzpflichtiger Impfschaden. Vielmehr muss dieser eine gewisse Erheblichkeit aufweisen. Ob ein Anspruch besteht, wird erst in einem Verfahren geklärt.

"Wenn jemandem zwei Tage nach der Impfung schlecht ist oder er einen Tag Fieber hat: Das sind normale Impfreaktionen, die vom Impfschadengesetz nicht erfasst werden", sagt der Verfassungsrechtler und Medizinrechtsexperte Karl Stöger von der Universität Wien. Nur bei Dauerschäden oder Schäden mit kurzfristigen schwerwiegenden Folgen bestehe ein Ersatzanspruch.

Etwaige Anträge auf Ersatz sind beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. Entscheidet dieses gegen den Ersatz, steht der Instanzenzug an die Verwaltungsgerichte offen. Im Verfahren kommt den Gutachtern eine entscheidende Rolle zu. Sie untersuchen unter anderem die Inkubationszeiten und mögliche andere Erklärungen für den vorgebrachten Schaden. So können etwa laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Regel Schäden, die sechs bis acht Wochen nach einer Impfung auftreten, dieser nicht mehr zugeschrieben werden.

Wahrscheinlicher Zusammenhang notwendig

"Die Gutachter müssen darlegen, ob ein plausibler Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden gegeben ist", sagt Verfassungsrechtler Stöger. Dabei muss nicht bewiesen werden, dass die Impfung den Schaden tatsächlich verursacht hat. Es muss laut Gesundheitsministerium zumindest "ein wahrscheinlicher Zusammenhang" bestehen. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) spricht in seiner Judikatur von einer "Kausalitätswahrscheinlichkeit".

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Denn einige Fälle nach dem Impfschadengesetz sind bereits vor den Gerichten gelandet. Zu Impfschäden finden sich einige Dutzend Entscheidungen des VwGH. Bei den oft sehr ausführlichen Erkenntnissen handelt es sich meist um Fälle, bei denen ein Ersatzanspruch verneint wurde.

2011 befasste sich der VwGH zum Beispiel mit der Beschwerde eines Mannes, der angab, dass eine Hämophilus-ProHibit-Impfung bei ihm wahrscheinlich eine Hirnschädigung verursacht habe. Die Behörden sahen keinen kausalen Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden. Dagegen legte der Mann beim Höchstgericht Beschwerde ein. Auch der VwGH nahm aber keine "Wahrscheinlichkeit einer Kausalität zwischen der hier in Rede stehenden Impfung" und dem "Leiden des Beschwerdeführers" an. Daher wies er die Beschwerde ab.

Im Jahr 2019 bezogen insgesamt 88 Personen Rentenleistungen nach dem Impfschadengesetz. 58 Fälle betrafen Schäden nach einer Pockenimpfung, für die heute keine Pflicht und keine Empfehlung mehr bestehen. Zudem wurden seit 1990 insgesamt 409 Schädigungen ohne Rentenanspruch anerkannt. 341 Fälle davon betrafen TBC-Impfungen in den Jahren 1991 bis 1994. Zum Vergleich: Pro Jahr finden laut dem Pharmakologen Zeitlinger rund drei Millionen Impfungen in Österreich statt.

Haftung der Ärzte unwahrscheinlich

Die Angst mancher Ärzte, dass sie bei Impfschäden persönlich haften könnten, hält Stöger für unbegründet: "Ich glaube nicht, dass bei der Covid-19-Impfung ein höheres Haftungsrisiko als bei einer anderen Impfung besteht." Es handle sich um einen bedingt zugelassenen Impfstoff, bei dem bisher keine schweren Nebenwirkungen bekannt seien. Daher sei fraglich, was man den Ärzten bei einer Verabreichung denn vorwerfen könne, sagt Stöger.

Natürlich müsse ein Arzt dabei lege artis, also nach allen Regeln der ärztlichen Kunst, vorgehen. So müsse er beachten, was der Patient beim Impffragebogen angegeben habe. Wisse der Mediziner etwa, dass er einen schweren Allergiker vor sich habe, der auf bestimmte in der Impfung enthaltene Stoffe allergisch reagiere, dürfe er diesen natürlich nicht impfen, erläutert Stöger. Auch für Schwangere und Kinder unter
16 Jahren sei der Biontech/Pfizer-Impfstoff nicht zugelassen, ergänzt Rudolf Schmitzberger, Impfreferent der Österreichischen Ärztekammer.

"In der Kleinstruktur der Praxen nicht bewältigbar"

Bei der Covid-19-Impfung könnte sich das Einhalten des üblichen Impfrahmens, den Ärzte beachten müssen, allerdings als schwierig erweisen. "Dass es vor der Impfung ein separates Aufklärungsgespräch zusätzlich zum schriftlich ausgefüllten Impffragebogen geben soll, ist ja noch machbar", sagt Schmitzberger. "Inwieweit die vorgesehene 20- bis 30-minütige Beobachtung des Patienten nach der Impfung in der Praxis möglich und sinnvoll ist, muss aber abgewogen werden."

Übervolle Wartezimmer seien während der Pandemie jedenfalls kontraproduktiv. Ideal wäre es, die Geimpften in einem isolierten Raum zu beobachten, bevor sie nach Hause entlassen werden können. Das ist aber wieder eine Frage des zur Verfügung stehenden Platzes und vermutlich in den seltensten Fällen möglich. "Falls es heißt, dass die Hausärzte ihre Patienten durchimpfen sollen, ist das in den normalen Ordinationen, in der Kleinstruktur der Praxen, aus diesen Gründen sicher nicht bewältigbar", meint die Allgemeinmedizinerin Susanne Rabady, die zweite Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin ist. Wo und in welcher Form die Massenimpfungen demnächst stattfinden sollen, müsse daher exzellent vorbereitet und unter professioneller Ägide organisiert werden.

Haftung der Herstellervon Verträgen abhängig

Zuletzt ist fraglich, inwieweit die Hersteller für Impfschäden haften. Anders als bei einer Notfallzulassung entlässt eine bedingte Zulassung der Impfstoffe durch die Europäische Arzneimittel-Agentur die Hersteller grundsätzlich nicht aus der Haftung. Das ist auch beim Impfstoff von Biontech und Pfizer der Fall.

Laut "Handelsblatt" sehen die Vorverkaufsverträge der EU mit den Unternehmen aber vor, dass die Hersteller unter "bestimmten und strengen Bedingungen" für gewisse Verbindlichkeiten entschädigt werden. Bei Schadenersatzansprüchen wegen Nebenwirkungen sollen sich die EU-Staaten an den Zahlungen beteiligen. Inwieweit im Einzelfall die Haftung ausgeschlossen ist, hängt also davon ab, was in den einzelnen Verträgen konkret ausgemacht wurde. Das österreichische Gesundheitsministerium hat auf Erkundigungen nach der Herstellerhaftung trotz mehrmaliger Nachfrage der "Wiener Zeitung" bisher nicht reagiert.