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Das plötzliche Bemühen und die dahinter stehenden Motive politischer Akteure versteht der einfache Bürger besser als die Politologen.
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Frei assoziiert zu Edward Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" kommen einem in Bezug auf das demokratische Zusammenleben überlegenswerte Gedanken. Die Ursachen für die aktuelle Debatte zur direkten Demokratie sind aus der Sicht der im Parlament vertretenen Parteien im Hinblick auf die nahenden Nationalratswahlen vordergründig.
Man will sich mit der Besetzung des Themas vermutlich im Rennen um die politikverdrossenen Wähler die Pole-Position sichern. Ein populistischer Schachzug oder ehrliches Bemühen, mehr Dynamik in die politischen Entscheidungsprozesse zu bringen? Das ist für den immer skeptischer werdenden Bürger keineswegs ganz klar.
Das plötzliche Bemühen und die dahinter stehenden Motive von politischen Akteuren werden von Politik beschreibenden Politologen wesentlich schlechter verstanden als vom einfachen Bürger mit handfestem Hausverstand. Ganz schlicht und einfach, dass die Politik in der Gunst der Bürger den Bach runtergeht, ist wie im Stück des Dramatikers Albee ein Beziehungsthema und in Bezug auf die Politik ein mehrdimensionales. Es geht um die Angst im Beziehungsdreieck Bürger - Politik - anstehende Probleme, die es zu lösen gilt. Bei näherem Nachdenken kommt man um die Vorstellung nicht herum, dass so mancher Politiker zum Schluss gekommen ist, dass man im Zirkel der Parlamentarier schlicht und einfach überfordert ist, weitreichende Entscheidungen zu treffen, und deshalb aus Einsicht und Not zu den Mitteln der Demokratie greift. Es ist keine großzügige Geste dem Bürger gegenüber, wenn man ihn in Entscheidungsprozesse einbindet, und so kann die Debatte um die direkte Demokratie auch nicht unbedingt gedeutet werden. Vielmehr ist es der plumpe Versuch, vom eigenen Unvermögen, die Themen und Probleme der Zeit nicht lösen zu können, abzulenken.
Paul Watzlawick, der österreichische und international renommierte Kommunikationspapst, würde die Debatte um die direkte Demokratie wohl als Paradoxon bezeichnen und in einem Zug die Diagnose über eine typische "double-bind"-Konstellation zwischen der Verträglichkeit von repräsentativer und direkter Demokratie stellen. Wo liegt wirklich das Problem der von gewissen Kreisen (inklusive Bundespräsident) georteten Unverträglichkeit zwischen den Formen der Demokratie in der Praxis? Kann es sein, dass es sich um eine besonders in Österreich sozialisierte Störung des Verhältnisses zwischen Werten, Leistung und sozialer Sicherheit handelt, die bei uns harmonisiert dargestellt wird?
Die Leistung und das damit verbundene Anforderungsprofil vieler politischer Mandatare oder genauer von verschiedenen Interessengruppierungen ins Parlament Delegierter ist das Defizit, welches mit den Mitteln der direkten Demokratie als Entscheidungshilfe kompensiert werden sollte.
Interessant dabei - und das schlägt dem Fass den Boden der politischen Contenance der Bürger aus - ist, dass gerade diese politischen Minderleister am meisten gegen die Einführung der direkten Demokratie wettern. Gott schütze Österreich vor solchen Volksvertretern!