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Wer hat das Geld für Europas Kampf gegen die Rezession?

Von Helmut Dité

Politik

Turbulente Beratungen über den Fiskalpakt zu erwarten.


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Berlin/Brüssel.

Die Folge der Rezession sind Arbeitslose und Obdachlose.
© Bilderbox

Angela Merkel wird wohl nicht allerbester Laune sein, wenn sie am Montag in Brüssel zum informellen Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs anreist: Für ihr Euro-Krisenmanagement hat sie, zuletzt in Davos, herbe Kritik einstecken müssen - in den Crash der Eurozone würden die bisherigen Maßnahmen zur Lösung der Schuldenkrise führen, warf ihr US-Investorenlegende George Soros vor; schlicht "verrückt" sei die Diskussion um eine Finanztransaktionssteuer, wetterte Britenpremier James Cameron.

Und am Freitag legte US-Finanzminister Timothy Geithner nach: "Wer glaubt, mit Sparmaßnahmen alleine erfolgreich sein zu können, liegt in der Regel falsch", so Geithner - und prognostizierte zugleich für heuer ein US-BIP-Wachstum von zwei bis drei Prozent, nachdem die US-Notenbank Federal Reserve dieser Woche die de facto Nullzinspolitik auf Jahre hinaus verlängert und weitere Konjunkturstützungsspritzen angekündigt hat.

Und jetzt, wo Merkel auf Anregung von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy das Hauptthema "Wachstum" beim Gipfel diskutiert haben will - über Griechenland oder die Aufstockung des Stabilitästonds EMS will die deutsche "oberste Sparkommissarin" beim Gipfel gar nicht reden - jetzt richtet ihr der Hüter eines Drittels des EU-Budgets, EU-Geldtopfs, Regionalkommissar Johannes Hahn, via "Süddeutsche Zeitung aus, die Pläne, einen Wachstumsfonds zu schaffen und mit noch nicht genutztem Geld aus Töpfen der Europäischen Union zu füllen, seien "unrealistisch": "Wenn ich alle nicht genutzten Mittel der Jahre 2010 und 2011 zusammenfasse, komme ich auf 30 Millionen Euro".

Jugendarbeitslosigkeit auf "Krisenniveau

Wie sollen also unter dem Druck der harten Sparpakete, die der Fiskalpakt vielen EU-Ländern auferlegt, Jobs geschaffen, die Wirtschaft angekurbelt, eine drohende Rezession vermieden werden?

Die Wirtschaftskrise stürzt vor allem junge Europäer in die Arbeitslosigkeit, europaweit sind mehr als 20 Prozent aller jungen Erwachsenen ohne Job; in den Krisenstaaten Spanien und Griechenland sogar weit mehr als 40 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit erreiche "Krisenniveau", formulierte Kommissionschef José Manuel Barroso. Österreich kann mit einer der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeitsquoten wohl Vorschläge machen . Ein Hauptredner zum Thema Jugendarbeitslosigkeit wird Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sein. Sein Vorschlag: Zehn der insgesamt 30 bisher nicht abgerufene Milliarden aus dem EU-Sozialfonds sollten für Ausbildungs- und Jugendbeschäftigungsprojekte eingesetzt werden.

Weniger konkret sind die weiteren Formulierungen im Entwurf zum Abschlusspapier des Gipfels, der seit Donnerstag kursiert: Generell sollen Arbeitsplätze in der sogenannten grünen Wirtschaft geschaffen werden, zu der unter anderem die regenerativen Energien gehören. Der Gipfel bekennt sich auch zu Reformen des Arbeitsmarktes und empfiehlt, die "Besteuerung der Arbeit" zu verringern.

Dem Mittelstand - nach Angaben der EU-Kommission machen kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 250 Angestellten 99 Prozent aller Firmen in der EU aus - soll die Europäische Investitionsbank günstigeres Geld anbieten. Aufträge aus den Strukturfonds sollen vor allem dem Mittelstand zugutekommen.

Um Unternehmen grenzübergreifende Geschäfte zu erleichtern, will der Gipfel den Binnenmarkt stärken und verspricht eine Verringerung bürokratischer Vorschriften, mehr grenzüberschreitenden Handel im Online- und Energiebereich sowie bei Dienstleistungen.

"Förderung für die Schwachen umverteilen"

Der Topf für Regionalförderung ist einer der größten der EU - er macht mehr als ein Drittel ihres Haushaltes aus. In der laufenden Finanzperiode von 2007 bis 2013 sind das beinahe 350 Milliarden Euro. Profitieren sollen wirtschaftliche schwache Regionen und Länder. Doch gerade die sind oft nicht in der Lage, das Geld zu beantragen und gut einzusetzen. Beim Gipfel soll es daher auch um die Umverteilung zwar zugesagter, aber noch nicht konkreten Projekten zugeordneten Geldern in den einzelnen Ländern gehen - bis Ende 2013 geht es dabei um bis 90 Milliarden Euro.

Im Mittelpunkt des Treffens wird aber vor allem der von Deutschland gewollte Sparpakt für mehr Haushaltsdisziplin ("Fiskalpakt") stehen. Verstöße sollen damit schärfer geahndet werden, der Schuldenabbau vorangetrieben werden. Bei den Beratungen dürfte es turbulent zugehen. Die Briten, die um den Finanzplatz London fürchten - der Anteil des Finanzsektors am britischen BIP ist mit zehn Prozent doppelt so hoch wie etwa in Deutschland - haben bereits erklärt, nicht mitmachen zu wollen, und die Polen fordern auf einmal Mitspracherechte in der Eurokrise, obwohl sie kein Mitglied der Währungsunion sind. Bisher schien es, als wollten sich alle 27 EU-Mitglieder außer Großbritannien an dem Pakt beteiligen.

Vor Beginn des Gipfels will sich Angela Merkel noch einmal trilateral mit ihren beiden stärksten Verbündeten zusammensetzen: Frankreichs Präsident Michel Sarkozy kommt innenpolitisch geschwächt, Italiens Premier Mario Monti sah sich am Freitag mit Massenprotesten gegen sein Austerity-Programm konfrontiert. Am Mittwoch reist Frau Merkel dann nach Peking - vielleicht lässt sich ja dort eine stärkere chinesische Beteiligung an der Eurorettung aushandeln.