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Wer hat das letzte Wort beim Brexit?

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Das britische Oberhaus drängt auf parlamentarische Mitbestimmung bei den Brexit-Verhandlungen. Theresa May will davon nichts wissen.


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London. Wenige Tage vor der Aufkündigung der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens durch Premierministerin Theresa May haben Angehörige aller Parteien im britischen Oberhaus das Recht auf "echte" parlamentarische Mitsprache zum Abschluss der Verhandlungen Mays mit der EU gefordert.

366 Oberhaus-Abgeordnete stimmten am Dienstag für ein solches Recht. 268 stimmten dagegen. Die Entscheidung signalisiert beträchtliche Brexit-Nervosität in Westminster. Sie kommt der Regierung höchst ungelegen.

Ein parlamentarisches Veto nämlich hätte zur Folge, dass ein vom Parlament abgelehntes Verhandlungs-Ergebnis von der Regierung neu ausgehandelt werden müsste. Das Parlament könnte außerdem verhindern, dass ein Scheitern der Verhandlungen automatisch zu einem "harten Brexit" oder überhaupt zum Brexit führt.

Dass sich das Parlament als Souverän im Staate ein solches Einspruchsrecht vorbehalten müsse, war Überzeugung vieler Lords und Ladies in der Adelskammer. Auch bekannte konservative Politiker wie die früheren Minister Lord Heseltine oder Lord Hogg wollten die Brexit-Entscheidung letztendlich in den Händen des Parlaments, und nicht der Exekutive, sehen. Der parteilich ungebundene Lord Turner, ehedem Präsident des britischen Industriellenverbandes, warf May ebenfalls vor, das Parlament mit einer Art "Breschnew-Doktrin" umgehen zu wollen.

Der rechtskonservative Lord Lawson, prominenter Anti-Europäer und Schatzkanzler aus Thatcher-Tagen, hielt dem entgegen, dem Parlament dürfe nicht gestattet sein, den Brexit-Prozess zu blockieren. In der Tat bestreitet die Regierung dem Parlament jegliches Einspruchsrecht in Sachen Brexit. May will stattdessen lieber nach dem Prinzip "Take it or leave it" verfahren.

Das Parlament soll den von ihr auszuhandelnden Deal bloß abnicken dürfen. Sagt es nein, würde Großbritannien ganz ohne vertragliche Regelung aus der EU ausscheiden - und wäre den 27 Ex-Partnern nur noch durch die Bestimmungen der Welthandels-Organisation verbunden.

Ein Veto-Recht Westminsters nämlich, argumentierte gestern die Regierungszentrale, würde die EU in der Überzeugung bestärken, dass sie den Briten einfach einen schlechten Deal anbieten könne, um den Brexit zu verhindern. So etwas würde "die andere Seite bei den Verhandlungen nur stärken", erklärte ein Regierungssprecher.

Groß ist die Chance ohnehin nicht, dass das Unterhaus einer entsprechenden Auflage des Oberhauses zustimmen würde. Nächste Woche hofft May sich auch einer Auflage zu entledigen, die das Oberhaus vorige Woche bei einer spektakulären ersten Rebellion gegen sie beschloss - nämlich ein automatisches Bleiberecht für die 3,3 Millionen in Großbritannien angesiedelten Bürger aus den anderen EU-Staaten. Gegen Ende nächster Woche dürfte May den britischen EU-Austritt gemäß Artikel 50 des Lissaboner Vertrags endlich verkünden und die maximal zweijährigen Verhandlungen mit der EU in Gang
setzen können.