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Warum das Übergabeprotokoll oft wichtiger ist als der Mietvertrag.
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Wien. Sie waren schon immer da, die Bohrlöcher in den Badezimmerfliesen, und man hat sich an ihren Anblick gewöhnt. Und auch der Sprung im Waschbecken und die Kratzer im Parkettboden haben nie sonderlich gestört, waren diese "Schönheitsfehler" doch schon beim Einzug vorhanden. Umso ärgerlicher, wenn der Vermieter nach dem Auszug ihretwegen Ärger macht. Mit einem Übergabeprotokoll, in dem der Zustand und die Ausstattung des bewohnten Objekts schriftlich festgehalten werden, ist man auf der sicheren Seite.
"Stellen Sie sich vor, Sie ziehen als Mieter aus und erhalten wenig später vom Eigentümer statt der Kautionsrückzahlung eine Rechnung über durchgeführte Reparaturen." Der Wiener Rechtsanwalt Walter Pirker ist mit solchen Fällen bestens vertraut. "Wenn der Mieter der Meinung ist, die Schäden seien schon vorher dagewesen und die Kosten daher vom Vermieter zu tragen, muss er das beweisen", sagt Pirker. Und schon sieht man einander vor Gericht wieder.
Streitfälle wie diese kann man vermeiden, indem man als Mieter anlässlich des Einzugs auf ein Übergabeprotokoll besteht. Dieses ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber "in höchstem Maß relevant", betont Pirker.
Auch wenn man es gar nicht mehr erwarten kann, endlich einzuziehen: Für einen kleinen Rundgang durch alle Zimmer der noch leeren Wohnung - oder des Hauses - sollte Zeit sein.
Wenn noch etwas auffällt: handschriftlich ergänzen
Im Idealfall gibt es nichts zu meckern. Im Übernahmeprotokoll heißt es dann: "Hiermit wird die Mängelfreiheit der Wohnung bestätigt." Oft finden sich aber doch Dinge, die nicht ganz einwandfrei sind und daher vermerkt werden sollten: defekte Lichtschalter oder Steckdosen, schlecht schließende Fenster, ein tropfender Wasserhahn etc. Auch sollten die Zählerstände für Strom, Gas und Wasser angegeben werden.
Beim Auszug sollte ebenfalls ein Übergabeprotokoll geführt werden, denn häufig passiert es, dass der neue Mieter der Wohnung beim Einzug Schäden verursacht und diese dem alten Mieter anhängen will.
Ein Übergabeprotokoll sollte immer erstellt werden, auch dann, wenn Mieter und Vermieter sich näher kennen. "Manche Mieter trauen sich nicht, etwas zu sagen, weil sie Angst haben, es sich mit dem Vermieter zu verscherzen", weiß Pirker. "Aber kein seriöser Vermieter wird sich sträuben und den Vertrag platzen lassen, wenn der Mieter augenfällige Mängel zum Zeitpunkt seines Einzugs handschriftlich festhalten möchte."
Oft werde das Übergabeprotokoll allein vom Vermieter verfasst und vom Mieter vorbehaltlos unterschrieben. "Nur die wenigsten wissen, dass sie auch in ein fertiges Protokoll in Gegenwart des Vermieters oder Maklers ihnen wichtig erscheinende Punkte handschriftlich hinzufügen können", erklärt Pirker.
Tipps für den Ein- und Auszug
Um einem nervenaufreibenden und kostspieligen Rechtsstreit vorzubeugen, empfehlen Experten, beim Ein- und Auszug folgende Punkte zu beachten:
Mit offenen Augen durch die Wohnung beziehungsweise das Haus gehen und besonderes Augenmerk auf kostenintensive Ausstattungsgegenstände wie Fenster, technische Geräte, Heizungs- und Warmwasseraufbereitungsanlagen legen.
Den Zustand wesentlicher Ausstattungsgegenstände erfassen und erforderlichenfalls mit Foto dokumentieren.
Eine Begleitperson (idealerweise einen Sachverständigen) zur Besichtigung mitnehmen. Vier Augen sehen mehr als zwei. Außerdem haben Sie im Fall des Falles auch einen Zeugen, der Ihre Aussagen bestätigen kann.
Dinge, die einem wichtig erscheinen, unbedingt ins Übergabeprotokoll hineinreklamieren.
Beim Auszug unbedingt auch die divergierenden Ansichten im Übergabeprotokoll festhalten, etwa: "Aus der Sicht des Mieters ist die Malerei in ordnungsgemäßem Zustand, es liegt gewöhnliche Abnutzung mit minimalen Gebrauchspuren vor. Die drei Bohrlöcher in der Küche waren laut Mieter bereits bei Einzug vorhanden..."