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Baby-Sterne, im Nebel geboren: Forscher lösen das Rätsel "verschwundener" Himmelskörper.
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Wien. Fernando Comeron staunte nicht schlecht. Etwa 700 Lichtjahre von der Erde entfernt, im Sternbild der Schlange, schienen die Sterne verschwunden zu sein. Die Aufnahmen eines Teleskops der Europäischen Südsternwarte (ESO) in La Silla, Chile, zeigten dem Astronomen deutlich weniger der leuchtenden Himmelskörper, als sich tatsächlich dort befinden. Stattdessen dominierten die pechschwarzen Weiten der Molekülwolke "LDN 483" die Bilder.
Keineswegs aber hat die schwarze Leere die Sterne verschluckt. Vielmehr enthält die Wolke so viel Material in Form von Staub, dass sie das Licht der dahinter stehenden Gestirne vollständig verschluckt. Aufgrund dieser Eigenschaft werden Molekülwolken, die so dicht wie LDN 483 sind, als Dunkelwolke oder Dunkelnebel bezeichnet. Dunkelnebel sind Geburtsstätten für neue Sterne. Aus den Überresten von Riesen, die als Supernovae explodierten und erloschen, bilden sich Sternen-Babys.
LDN 483 wurde erstmals von dem griechischen Astronomen Ptolomäus vor rund 2000 Jahren entdeckt. Die leuchtenden Himmelskörper, die sich hier formieren, seien mehrere 100.000 bis paar Millionen Jahre alt, erklärt Comeron, der als Repräsentant der ESO in Chile fungiert, dem britischen Sender BBC: "Das ist nichts, wenn man sich die Lebensdauer eines Sterns vergegenwärtigt. Es ist wie ein Baby ein paar Stunden nach der Geburt." Die Forscher konnten die Sternenbabys anhand von Infrarot-Wellenlängen nachweisen, die den dichten Staub durchdringen können. "In den allermeisten Dunkelwolken bilden sich Gestirne", so Comeron.
Das Leben eines Sterns dauert hunderte Millionen bis mehrere Milliarden Jahre. Unsere Sonne ist 4,6 Milliarden Jahre alt. Erst seit wenigen Jahrzehnten können Wissenschafter jedoch das Innenleben der Dunkelnebel mit Teleskopen beobachten. Die Analysen der Daten verschaffen ihnen neue Einblicke, wie sich das Universum seit seiner Entstehung verändert hat. Etwa konnten sie herausfinden, dass es unmittelbar nach dessen Formation noch gar keine Sterne gab. "Das junge Universum war ein völlig anderer Ort, als es heute ist", sagt Andrew Pontzen vom University College in London.
Woher kamen die Sterne? Wie wurde unser Universum so, wie es heute ist, mit hunderten von Milliarden Galaxien voller Gestirne und Planeten? Kosmologen wie Pontzen sind solchen Schlüsselfragen auf der Spur: "Um diese Rätsel zu lösen, ist es wichtig, die Sternengeburten zu beobachten."
Neue Gestirne überstrahlendie älteren
In LDN 483 untersuchen die ESO-Astronomen einige der jüngsten Baby-Sterne jemals: Man könnte sagen, sie seien noch nicht einmal ganz dem Mutterleib entsprungen. In diesem ersten Entwicklungsstadium ist das zukünftige Gestirn eine Art Kugel aus Gas und Staub, der sich unter dem Druck der Schwerkraft zusammenballt. Der Protostern ist mit 250 Grad Celsius relativ kühl und leuchtet nur langwellig - Temperatur, Druck und Energie nehmen erst im Zuge des Wachstums zu. Innerhalb von nur einigen 1000 Jahren wird der Protostern wärmer und dichter, seine Energie-Emissionen nehmen Abstufungen von Infrarot bis schließlich sichtbarem Licht an - so lange, bis ein hell leuchtender Stern entsteht.
Je mehr Gestirne die Dunkelwolke LDN 483 hervorbringt, desto durchsichtiger wird sie. Irgendwann werden dann auch die Sterne im Hintergrund, die heute wie verschwunden erscheinen, wieder zu sehen sein. Allerdings wird es erst in mehreren Millionen Jahren so weit sein. Und selbst dann werden die neuen, jungen Sterne die alten überstrahlen.