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"Wer hat Lust auf Klimaschutz?"

Von WZ Online

Politik

Als "besorgniserregend und enttäuschend" bezeichnete Bundespräsident Heinz Fischer die Tatsache, dass die erhofften verbindlichen Ergebnisse und Maßnahmen beim Klimagipfel in Kopenhagen nicht erreicht werden konnten. Das war auch der generelle, weltweite Tenor der Kritik am Ergebnis der Kopenhagener Verhandlungsrunde. | Gastkommentar - Kopenhagen, ein kompletter Fehlstart | Gastkommentar - Poker beendet, Asse nicht ausgespielt | Die Kernpunkte des Abkommens | Minimalergebnis angenommen


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"Die Reaktion darauf darf aber nicht Resignation sein, sondern die richtige Antwort kann nur lauten, in Österreich und allen anderen Ländern die Anstrengungen zur Verminderung von Emissionen zu verstärken", meinte Fischer. Der Bundespräsident dankte der österreichischen Delegation und allen österreichischen Experten für ihre Bemühungen beim Klimagipfel.

Österreichs Umweltminister Berlakovich sprach gar von einem "schwarzen Tag für den Klimaschutz." Wenig erfreut zeigte sich auch die Industriellenvereinigung über den Ausgang des Klimagipfels: IV-Generalsekretär Markus Beyrer bezeichnete die Ergebnisse als "unbefriedigend". Er forderte die EU auf, ihre Position als Vorreiter "dringend zu überdenken" und gegenüber anderen Wirtschaftsmächten fordernder aufzutreten. Ein für alle verbindliches Ergebnis sei nicht erreicht worden, eine weitere unilaterale Vorleistung der EU sei standortpolitisch unverantwortlich.

Harsche Kritik übten auch die Grünen: Der stellvertretende Bundessprecher, Werner Kogler, attestierte ein "Null-Ergebnis: Die Klimakonferenz ist gescheitert."

Die UNO übt sich offiziell in OptimismusUN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich offiziell zufrieden und nannte die Klima-Vereinbarung von Kopenhagen einen "guten Start": "Endlich haben wir eine Übereinkunft", sagte Ban am Samstag beim Weltklimagipfel. "Mir ist klar, dass viel mehr notwendig sein wird, um den Pfad der Erderwärmung zu verlassen, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung." - "Die Länder, die beim Kyoto-Protokoll außen vor waren, sind jetzt im Zentrum der Klima-Aktion." Ban räumte ein, dass jetzt ein rechtsverbindlicher Vertrag notwendig ist: "Wir (die Vereinten Nationen) werden hart arbeiten, um das 2010 zu schaffen."

Überhaupt gaben sich die UNO-Offiziellen demonstrativ optimistisch: Der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, wertete den Kopenhagener Gipfel gar als "Wegbereiter" für weitere Schritte der Weltgemeinschaft gegen den globalen Temperaturanstieg. De Boer sagte zur der Einigung auf ein Kompromiss-Papier: "Wir können jetzt mit der gewaltigen politischen Energie aus diesem Treffen nach vorn blicken."

Für US-Präsident Obama ist der weit hinter den Erwartungen gebliebene Klimagipfel ein Durchbruch. Trotz fehlender verbindlicher Vorgaben zur Reduzierung von Treibhausgasen lege die Erklärung von Kopenhagen den "Grundstein für das internationale Handeln in den kommenden Jahren." In das gleiche Horn stieß die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Einhellige Ablehnung der Umweltschutz-Organisationen

Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen zur Gänze gescheitert. "Angesichts all der existenziell betroffenen Menschen in den Entwicklungsländern, die den Auswirkungen des Klimawandels auch weiterhin hilflos ausgesetzt sein werden, ist diese Ergebnis wirklich erschütternd und eine beschämende Niederlage für die verantwortlichen Entscheidungsträger", sagte Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl. Für Greenpeace haben sich vor allem die Industriestaaten das Scheitern der Klimakonferenz zuzuschreiben - allen voran die USA und die Europäische Union selbst.

Auch Global 2000 sieht den Gipfel als gescheitert an. Nach über zwei Jahren Verhandlungen sei es nicht zu einem umfassenden verbindlichen Abkommen, sondern lediglich zu einer substanzlosen politischen Absichtserklärung gekommen. Damit falle man sogar hinter die Abmachungen zu Beginn des Prozesses 2007 zurück, kritisierte Klimasprecher Manuel Graf. Während die am meisten betroffenen armen Länder Afrikas und Asiens von jeglicher Entscheidung ausgeschlossen waren, habe sich eine kleine Gruppe von Staaten auf eine Position geeinigt, die nicht einmal mehr gemeinsame Reduktionsziele bis 2020 oder 2050 festlege. "Das ist kein Verhandlungsergebnis, sondern die Festlegung auf eine massive Gefährdung von Mensch und Umwelt", kritisierte Graf.

WWF-Klimaexperte Markus Niedermair sieht den Ausgang des Gipfels sogar als "politische Klimakatastrophe, die uns weit zurückwirft". Die Hoffnungen des WWF liegen jetzt bei der Nachfolgekonferenz, die Ende 2010 in Mexiko stattfinden wird. "Es ist eine Schande, dass die Führer dieser Welt nach zwei Wochen der Verhandlungen zu keinem rechtsverbindlichen Vertrag gekommen sind", kritisierte Niedermair.

Für Wolfgang Mehl vom Klimabündnis haben in Kopenhagen die ärmsten Länder der Erde verloren. Übrig geblieben sei eine vage politische Deklaration ohne konkrete Ziele und Verpflichtungen. Ihre Reduktionsziele bis 2020 dürfen sich die Industriestaaten nach einem "wer hat Lust zu ein bisserl freiwilligem Klimaschutz" mehr oder minder selber aussuchen. Die "Copenhagen Accords" seien ein verzweifelter, aber missglückter Versuch, mit einer äußerst schwachen politischen Abschlussdeklaration das Gesicht zu wahren.

Attac Österreich sieht einen Skandal in dem Abkommen: Dadurch, dass verbindliche Reduktionsziele an Bedingungen geknüpft würden, schiebe man die Verantwortung den Schwellen- und Entwicklungsländern in die Schuhe.

Die kirchlichen Entwicklungs-Organisationen haben das Scheitern des UN-Klimagipfels in Kopenhagen ebenfalls mit großer Enttäuschung aufgenommen. "Das Ergebnis ist niederschmetternd, beschämend und eine verpasste historische Chance", hielt die "Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Internationale Entwicklung und Mission" (KOO) am Samstag in einer Aussendung fest.

Chavez: "Es riecht immer noch nach Schwefel"

Der venezolanische Präsident Hugo Chavez brachte drastisch zum Ausdruck, was linksgerichtete lateinamerikanische Länder von der Notlösung von Kopenhagen in Sachen Klimaschutz halten: "Es riecht weiter nach Schwefel", sagte er und meinte damit die seiner Meinung nach auch unter Präsident Barack Obama teuflische Rolle der USA. Aber auch gemäßigtere Stimmen waren von Enttäuschung geprägt. Die Medien im Schlüsselland Brasilien, dem Land, das rund 60 Prozent des bedrohten Amazonas-Regenwaldes beherbergt, waren sich einig: "Fehlschlag", "Scheitern" und "Klima der Frustration" lauteten Schlagzeilen.

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva verließ Kopenhagen dann auch kommentarlos. Er hatte bis zuletzt auf eine Vereinbarung gehofft. "Wie ich an Gott glaube, glaube ich auch an Wunder", sagte er noch am Freitag. Es trat nicht ein, obwohl sich Lula überraschend bereiterklärte, in den Klima-Fonds für arme Länder einzuzahlen. Ernüchterung auch in Argentinien: "Eine lauwarme Vereinbarung, die keine Ziele für die Verringerung von Klimagasen enthält", titelte dort am Samstag die größte Zeitung "Clarin". Argentinien trägt mit seinen riesigen Rinderherden und großflächiger Abholzung seiner Wälder für den Soja-Anbau erheblich zum Treibhauseffekt bei.

Boliviens Präsident Evo Morales kritisierte das Vorgehen der Konferenzleitung in Kopenhagen als "undemokratisch und Verletzung aller Prinzipien der Vereinten Nationen". Aus Sicht des argentinischen Klimaforschers Pablo Canziani haben Armut und Klimakatastrophen dieselbe Ursache: "Sie sind Folge einer Weltsicht, der es nur um wirtschaftlichen Gewinn geht."

Die Blicke richten sich nun auf Lateinamerika, denn in Mexiko soll 2010 der nächste UN-Klima-Gipfel stattfinden. Dieser Aufgabe werde sich Mexiko mit Stolz stellen, sagte Präsident Felipe Calderon. Er sieht den Kompromiss als Basis für die Zukunft. Ob sie trägt, wird sich in Mexiko herausstellen.