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Wer hat’s geschafft, wer noch nicht?

Von Herbert Hutar

Wirtschaft

Österreichs dürfte Deutschland 2011 beim Wachstum überflügeln. | Welche Branchen 2010 noch kämpfen. | Wien. Eine Chance, um Luft zu holen, aber kein Anlass für ein Aufatmen: So ließen sich die ökonomischen Befindlichkeiten im neuen Jahr beschreiben - vor allem in den westlichen Industrieländern. Anderswo geht es nämlich bedeutend schneller aufwärts, etwa in den Schwellenländern. "Die Weltkonjunktur bleibt vorerst gespalten", meinen die Experten im Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel. Die staatlich befeuerte Konjunkturlokomotive China erreicht plus 10 Prozent; Indien mit 7,5 Prozent oder Brasilien mit fast 6 Prozent Wachstum bleiben da etwas zurück. Die Industrieländer aber müssen sich mit bloß 1,4 Prozent zufrieden geben, und in den Euro-Ländern gibt es überhaupt nur 0,8 Prozent Wachstum.


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Vorsichtiger Optimismus und bange warnende Stimmen sind abwechselnd zu vernehmen, wobei Österreichs Wirtschaftsexperten hoffnungsvoller in die nächste Zukunft blicken als ihre deutschen Kollegen. Dabei liegen die Prognosen des Münchener Ifo-Institutes für Deutschland mit plus 1,7 Prozent für 2010 sogar über jenen des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) mit 1,5 Prozent. Im Jahr darauf dürfte Österreich den großen deutschen Nachbarn beim Wachstum aber überholen. Die Aussichten für beide Länder reichen jedoch nicht aus, um die Arbeitslosen von der Straße zu holen. Im Gegenteil: Die Arbeitslosigkeit wird noch steigen. Zudem werden die Firmenpleiten in Österreich deutlich zunehmen, und zwar um 12 Prozent, schätzt Hans-Georg Kantner, Experte des Kreditschutzverbandes von 1870.

Maschinenbauer sehen in Deutschland schwarz

Im Gegensatz zu den Finanzmärkten, die seit März 2009 eine fulminante Aufholjagd hingelegt haben, bleiben die Aussichten für die Industrie und das produzierende Gewerbe düster. Deutschland, Österreichs wichtigsten Handelspartner, schmückt der Titel "Exportweltmeister" nicht mehr: Die Exportlastigkeit der Wirtschaft wird plötzlich als strukturelle Schwäche angesehen. Das Vertrauen in die Aufnahmefähigkeit der Märkte ist erschüttert. Die Auslastung deutscher Maschinenbauer liegt derzeit bei mageren 70 Prozent. Der "Spiegel" zitiert IG-Metall-Chef Berthold Huber mit den Worten: "Es brennt lichterloh."

Die notwendien Anpassungsprozesse, also Schrumpfkuren und/oder neue Produkte, sind meist erst im Anfangsstadium, Investitionen liegen auf Eis oder werden erst gar nicht angegangen. Somit werden sich viele der Kurzarbeiter bald in das Heer der Arbeitslosen einreihen müssen. Das gilt für Deutschland ebenso wie für Österreich. Die Arbeitslosigkeit in Österreich wird, so das Wifo, 2010 von 4,8 auf 5,2 Prozent steigen. Besonders gefährdet sind nach wie vor Männer im produzierenden Sektor, vor allem ältere und weniger qualifizierte, sagt Maria Hofstätter vom Arbeitsmarktservice (AMS). Sie rechnet im Jahresschnitt mit 280.000 Arbeitslosen. Hofstätter sieht Berufschancen nicht nur im Gesundheitsbereich, auch hoch qualifizierte IT-Fachkräfte seien gefragt.

Rudolf Lichtmannegger, stellvertretender Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), bestätigt der Telekommunikationsbranche stabile Aussichten. Telefoniert und im Internet gesurft wird nach wie vor viel. Der Preiskampf zwinge allerdings bei schrumpfenden Erträgen zu Mengenwachstum.

Der Branchenüberblick der Wirtschaftskammer für 2010 stellt sich so dar: Recht gut geht es der Eisenbahnindustrie. Gleise, Weichen und Schienenfahrzeuge sind gefragt, staatlich unterstützte Bahnprogramme laufen in ganz Europa. Der Bau des Wiener Zentralbahnhofes gilt als wichtige Stütze.

Der allgemeine Maschinenbau leidet unter der Nachfrageschwäche in Westeuropa. Die Exporteure fokussieren ihr Interesse deshalb auf fernere Märkte wie China, Korea oder Brasilien, erläutert WKO-Experte Lichtmannegger. Im Gewerbe laufen Reparatur und Instandhaltung nach wie vor gut.

Preiskampf im Hochbau und Tourismus

Die Autokonjunktur - da deckt sich die Skepsis mit jener der deutschen Experten - könnte auf Grund der Verschrottungsprämien eine Eintagsfliege gewesen sein. Der Autozulieferer Magna muss darüber hinaus zur Kenntnis nehmen, dass BMW seinen X3 künftig in den USA und Porsche den Boxster in Deutschland bauen will. Das General-Motors-Werk in Wien-Aspern soll unterdessen Aufträge von Opel Bochum übernehmen, heißt es.

Im Hochbau herrscht wegen geringerer Aufträge bei Büro- und Industriebauten ein harter Preiskampf. Der private Wohnbau leidet unter der Unsicherheit privater Interessenten und unter erschwerter Kreditvergabe. Gestützt wird die Bauwirtschaft von den Wärmeisolierprogrammen.

Im Tourismus blieben die Warnungen von Kammerfunktionären vor einem Preiskampf ungehört: Hotelketten wollen mit Sonderangeboten dem Städtetourismus auf die Beine helfen.

Den privaten Konsum sieht Wifo-Konjunkturexperte Marcus Scheiblecker 2010 mit einem Plus von 0,7 Prozent gesichert: Die Lohnabschlüsse sind 2009 zwar bescheidener ausgefallen als im Jahr zuvor, aber die Steuerreform wirkt nach, und die Inflation hält sich mit plus 1,3 Prozent in akzeptablen Grenzen.