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Wer im Dienste des Landes Angehörige pflegt

Von Karl Ettinger und Jan Michael Marchart

Politik

Seit November stellt das Land Burgenland pflegende Angehörige zum Mindestlohn von 10 Euro in der Stunde an. Das Modell von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil wird in so manchem Bundesland sehr genau verfolgt.


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In der SPÖ blickt man derzeit mit Argusaugen ins Burgenland. Dies nicht nur, weil Landeshauptmann Hans Peter Doskozil dort kürzlich die Absolute holte und bewies, dass Sozialdemokraten noch Wahlen gewinnen können. Es ist vor allem das Wie, das innerparteilich beschäftigt. Bisweilen war Doskozil vor allem für seine restriktive Migrationslinie bekannt. Weniger aufgeschlagen war seine Sozialpolitik, die wohl auch ein Mitgrund für das Ergebnis im Burgenland war.

Gemeinsam mit der FPÖ führte Doskozil neben dem Gratiskinderkarten im einwohnerschwächsten Bundesland einen 1700 Euro Mindestlohn im Landesdienst ein. Zu diesem Tarifniveau werden seit November vergangenen Jahres im Burgenland auch pflegende Angehörige vom Land angestellt. 5,4 Millionen Euro hat das Burgenland dafür heuer budgetiert, eine Million im Vorjahr. Stand Februar wurden rund 100 pflegende Angehörige, mehrheitlich Frauen, im Burgenland angestellt. Laut Schätzungen des Landes gibt es 400 bis 600 Personen im Burgenland, die Angehörige daheim betreuen und für das Anstellungsmodell infrage kämen. Im Vollausbau würde dieses etwa 13 Millionen Euro kosten.

Konkret soll mit dem Pilotprojekt auch ein virulentes Problem in der Pflege angegangen werden. Nicht selten führt die private Pflege eines Angehörigen dazu, dass sich Pflege und Job oft nicht mehr miteinander vereinbaren lassen. Das wirkt sich nicht nur finanziell auf pflegende Angehörige aus, sondern auch auf die Versicherungs- und Pensionszeiten. Vor allem Frauen, die mehrheitlich die Pflege übernehmen, trifft das, weil sie oft schon durch Kinderkarenzzeiten geringere Pensionszeiten haben. Die Anforderungen für das Anstellungsmodell sind gesetzlich eng gehalten. Es muss ein Pflegebedarf ab Pflegestufe drei festgestellt und - wenn nicht vorhanden - ein Pflegebasiskurs von 100 Stunden vom jeweiligen Angehörigen absolviert werden. Der Kurs wird vom Land bezahlt. Der Arbeitsort darf vom Hauptwohnsitz der zu pflegenden Person zudem nicht länger als 15 Minuten entfernt sein. Doppelförderungen sind auch nicht möglich. Das heißt, dass der Zeitbedarf nicht gleichzeitig von einer mobilen Pflege und einem Angehörigen gedeckt werden darf (geplant sind Unterstützungsbesuche von diplomierten Pflegepersonen). Für Pensionisten ist keine Anstellung beim Land vorgesehen. Als Alternative erhalten diese eine Aufzahlungs-Förderung, wenn das Haushaltsnettoeinkommen aller im Haushalt lebenden Personen unter 1700 Euro netto liegt.

Das Modell könnte Oberösterreich "überfordern"

Die Entlohnung richtet sich nach der Pflegestufe. 1700 Euro netto gibt es bei einer 40-Stunden-Anstellung ab Pflegestufe fünf. In diese Kategorie fallen derzeit etwa 22 pflegende Angehörige (Stand Jänner). Bei Pflegestufe vier (34 Personen) reduziert sich die Anstellung auf 30 Stunden, bei Pflegestufe drei (29 Personen) auf 20 Stunden. Bezahlt wird auf Mindestlohnniveau, etwa 10 Euro in der Stunde. Die pflegenden Angehörigen haben dazu Anspruch auf Urlaub (eine Ersatzbetreuung soll bereitgestellt werden) und ein 13. sowie 14. Gehalt. Die pflegebedürftige Person muss einen Teil ihres Pflegegeldes für die Betreuung ans Land zahlen.

Das Pflegemodell soll wenn möglich auch nachhaltiger sein. Mit einer weiterführenden kostenlosen Heimhilfeausbildung will man auch langfristig Personal für den Pflegebereich gewinnen, sagt SPÖ-Soziallandesrat Christian Illedits.

In anderen Bundesländern wird genau verfolgt, wie sich das Modell im Burgenland mit der Anstellung von Angehörigen, die Menschen ab Pflegestufe 5 pflegen, entwickelt. "Es ist ein interessanter Ansatz", meint Oberösterreichs Soziallanderätin Birgit Gerstorfer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die SPÖ-Politikerin versichert, man werde sich "sehr genau anschauen", welche Erfahrungen es im Burgenland damit gibt.

Allerdings geht es in Oberösterreich um eine ungleich größere Zahl an Beziehern von pflegebedürftigen Menschen. Allein die Gesamtzahl der Pflegegeldbezieher ist im Land ob der Enns mit rund 70.000 um ein x-Faches größer als im Burgenland. Gleiches gilt für den Personenkreis, der Pflegegeld in den drei höchsten Stufen 5, 6 und 7 erhält. In Oberösterreich sind dies 13.086 Personen. Deswegen gibt die Soziallandesrätin zu bedenken, dass die Umsetzung des burgenländischen Modells das Land wohl "finanziell maßgeblich überfordern" würde. Aber man könne anschauen, mit welchen veränderten Regelungen die Lösung eventuell übertragbar wäre.

Gerstorfer betont außerdem, dass einige Fragen bei der Anstellung von pflegenden Angehörigen durch das Land erst geklärt werden müssten. Dazu zählt die Frage der Arbeitszeit, die herangezogen wird. Darüber hinaus gelte es auch, arbeitsrechtliche Fragen zu klären.

Genau darauf wird auch von Wiens Gesundheits- und Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hingewiesen. Die Stadt Wien habe schon vor einiger Zeit ein Modell geprüft, letztlich aber vorerst davon Abstand genommen. Allerdings wird in Wien auch hervorgehoben, dass das Burgenland sein Modell inzwischen weiterentwickelt habe. Dennoch müssten vor allem arbeitsrechtliche Fragen erst geklärt und entschieden werden. Auch in Wien wird aber mit Interesse verfolgt, welche Erfahrungen das Burgenland mit seinem Modell macht. Die Lösung, dass Angehörige angestellt werden, wird vom SPÖ-Stadtrat in der Bundeshauptstadt zumindest als "Option" bezeichnet.

Andere Voraussetzungenin der Hauptstadt

Allerdings kommen in Wien auch andere Voraussetzungen in einer Großstadt als im ländlich geprägten Burgenland bei der Pflege zum Tragen. Die Möglichkeiten mobiler Dienste zur Betreuung und Pflege hilfsbedürftiger Menschen in den eigenen vier Wänden sind in Wien besser, weil diese Dienste nicht nur mehr vorhanden sind, sondern in Wien im Regelfall kürzere Wegzeiten zu den Pflegebedürftigen Menschen haben.

Eines gilt allerdings im Burgenland wie auch in Wien und Oberösterreich. Menschen, die Pflegegeld ab der Pflegestufe 5 beziehen, sind meist Menschen, die eine besonders intensive Betreuung brauchen. Das setzt wiederum voraus, dass ein pflegender Angehöriger auch entsprechende Kenntnisse für die Pflege daheim aufweist und mitbringt.

Rein zahlenmäßig zeigt sich folgendes Bild: Die Gruppe, die von Angehörigen mit Anstellung gepflegt werden kann, ist im Kreis der bundesweit rund 466.000 Empfänger von Pflegegeld deutlich in der Minderheit gegenüber der Gruppe in den Stufen eins bis vier. Die Mehrheit fällt in die beiden niedrigsten Stufen eins und zwei.

Wie viele pflegende Angehörige es in Wien gibt, sei laut dem Fonds Soziales Wien schwierig zu sagen. Dort schätzt man, dass es 143.000 Personen betrifft. Inkludiert sind hier aber auch Fälle, in der es zusätzlich schon eine Heimhilfe gibt. Diese Konstellation würde im Burgenland nicht zusätzlich gefördert werden.