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In den USA wird derzeit mit Leidenschaft debattiert, wer für das von Hass geprägte Klima zwischen den beiden großen Parteien und die damit einhergehende Selbstblockade der politischen Institutionen die Verantwortung trägt. "Die Republikaner", würden darauf wohl sämtliche Anhänger der Demokraten und mit ihnen wohl auch die allermeisten Europäer antworten.
Dass dies nun auch zwei bisher für ihre Unabhängigkeit bekannte und über die Parteigrenzen hinweg respektierte Politologen behaupten, befeuert die Debatte über den Zustand der amerikanischen Demokratie.
In einem viel beachteten Essay in der "Washington Post" und in einem aktuellen Buch ("It’s even worse than it looks"; Basic Books) kommen Thomas E. Mann und Norman J. Ornstein zu dem Schluss, dass die Grand Old Party den Boden der gemeinsamen Tatsachen verlassen habe. Die US-Republikaner hätten sich, so die These, in einer Weise ideologisch radikalisiert, die Kompromisse, bei denen man sich gemeinhin in der Mitte trifft, verunmögliche. Dabei weisen Mann und Ornstein auch den etablierten Medien eine Mitschuld zu: Diese würden nach - in einem überkommenen Verständnis von Überparteilichkeit - dazu tendieren, die divergierenden politischen Positionen neutral zu referieren, statt die sachliche Unhaltbarkeit der einen im Vergleich zur anderen deutlich zu machen.
Das ist dünnes Eis, auf dem sich die beiden US-Politologen hier bewegen.
Wer, wenn überhaupt, vermag zu bestimmen, wo jene ominöse Mitte zu liegen hat, aus der Kompromisse erwachsen? Sicher auch die Experten, die mit ihrem Fachwissen die Folgekosten politischer Entscheidungen abschätzen. Auch die Medien. Im Wesentlichen jedoch wohl die Wähler mit ihrem Stimmverhalten.
Das heißt nicht, dass nicht auch das Votum der Wähler in sich selbst widersprüchlich sein kann, ja oft genug tatsächlich ist. Manche wählen den Protest und wünschen sich doch gleichzeitig die Fortsetzung des Bestehenden. Das erscheint nur all jenen paradox, die Politik für eine strikt rationale Angelegenheit halten.
An den Politikern liegt es, sofern sie Regierungsverantwortung tragen, mit diesen Widersprüchen - so gut es eben geht - zu leben und diese aufzulösen. Jammern ist das Privileg der Wähler, Politikern und Experten steht es schlecht zu Gesicht.