Türkei schießt eine Drohne über ihrem Territorium ab, vermutlich eine russische. Der Zwischenfall ist symptomatisch. Eine Analyse.
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Damaskus/Moskau. Moskau verstärkt sein Engagement in Syrien beinahe täglich. Neben Kampfjets, Soldaten, Drohnen und Marschflugkörpern könnten bald russische Kriegsschiffe im Mittelmeer zum Einsatz kommen. Das hat ein Offizier am Freitag bestätigt. Die Schiffe sollen den IS beschießen.
Gleichzeitig geht es den russischen Streitkräften darum, andere ausländische Mächte, die ebenfalls in Syrien aktiv sind, aber gegensätzliche Ziele verfolgen, zurückzudrängen. Am Freitag haben türkische Kampfjets offenbar eine Drohne abgeschossen, die drei Kilometer in den türkischen Luftraum eingedrungen war. Die USA gehen davon aus, dass es sich um ein russisches Gerät handelt, Moskau dementiert.
Der Vorfall macht einmal mehr klar, wie unübersichtlich die Lage im Luftraum über Syrien ist. Russische Kampfjets sind laut Ankara bereits mehrmals in türkischen Luftraum eingedrungen oder sie sind auf Kollisionskurs zu US-Kampfjets gegangen. Angeblich haben sich die USA, Russland und die Türkei geeinigt, die "Partner" künftig über militärische Operationen zu informieren. Ob das hält, bleibt abzuwarten.
Moskau will den Einflussbereich von Syriens Präsident Assad ausweiten. Deshalb hat die syrische Armee am Freitag mit Hilfe Russlands, der Hisbollah und des Iran eine große Bodenoffensive südlich von Aleppo gestartet. Die Regierungstruppen konnten Erfolge erzielen, sie sind auf dem Vormarsch und stehen knapp vor Aleppo. Das Ziel, Gebiete um und in der größten Stadt Syriens für das Regime zurückzugewinnen, ist zum Teil erreicht.
Aleppo ist derzeit noch in zwei Einflusszonen geteilt - die Regierung kontrolliert den Westen, Rebellen den Osten. Seit Donnerstag früh läuft eine weitere Armee-Offensive gegen Rebellen nördlich von Homs und bei Hama. Das syrische Regime braucht hier unbedingt Erfolge, um das Rückzugsgebiet Assads in Latakia abzusichern. Damaskus und Moskau geht es auch darum, die Position Assads bei möglichen Friedensverhandlungen zu stärken.
Ursprünglich hat Präsident Wladimir Putin sein Eingreifen in Syrien damit begründet, dass man IS-Terroristen aus dem Kaukasus bekämpfen wolle, bevor sie nach Russland kämen. Laut Geheimdienst FSB befinden sich rund 5000 Russen - mehrheitlich Tschetschenen - in den Reihen der Islamisten. Doch war der Islamische Staat bis jetzt nur ein Nebenziel der russischen Streitkräfte in Syrien. Moskau hält sich zurück, man fürchtet Racheaktionen auf eigenem Territorium. In Tschetschenien gibt es seit Jahren Versuche, ein islamistisches "Kalifat" zu errichten. Heimkehrende IS-Kämpfer könnten die Idee wiederbeleben.
"Assad ist nicht zu retten"
Abseits der jüngsten Entwicklungen auf den verschiedenen Schlachtfeldern ist klar, dass es eine Lösung des Syrien-Konflikts nur am Verhandlungstisch geben kann. "Das russische Eingreifen wird Assad nicht retten", bekräftigt Frankreichs Präsident François Hollande am Freitag. Die Akteure - Russland, die USA, der Iran, die Türkei und Saudi-Arabien - haben sich aber bis jetzt nicht auf eine gemeinsame Linie in Syrien einigen können. Das Chaos und die gefährlichen Vorfälle im syrischen Luftraum sind Symptom dieses fatalen Missstandes.