Wirklich spannend - so verhielt es sich zumindest in den letzten Jahren auf Bundesebene - wird es erst nach dem Wahltag. Wenn es darum geht, wer mit wem kann und wer nicht. Platz eins am Wahlsonntag mag für den Betreffenden ein erhebender Augenblick sein - mehr ganz sicher nicht.
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Diese Erkenntnis ist seit 1999, als Wolfgang Schüssel als Dritter das Bundeskanzleramt eroberte und die SPÖ als Nummer eins den Gang in die Opposition antreten musste, ganz tief in das Unterbewusstsein der Spitzenkandidaten aller Parteien eingebrannt. Nur eine absolute Mehrheit schützt eben absolut vor der Abwahl durch die vereinte Front der anderen.
In diesem Spiel zählt: Wer mehr Optionen hat als der Mitbewerber, der sitzt am längeren Hebel. Im Bund, in den Ländern und in den Städten und Gemeinden. Die kommenden Wahlen in Graz (20. Jänner), Niederösterreich (9. März) und Tirol (Herbst) werden das wieder einmal deutlich machen.
Die Grazer Gemeinderatswahlen in zehn Tagen sind dabei bundespolitisch von besonderem Interesse: Anders als in Niederösterreich und Tirol, wo die Kräfteverhältnis eindeutiger sind, gibt es in der steirischen Landeshauptstadt ein schwarz-rotes Rennen um Platz eins. Wie im Bund, nur unter anderen Vorzeichen. Auch Platz drei ist an der Mur heiß umkämpft: Neben Grünen und Blauen gesellt sich hier noch der steirische Sonderfall der KPÖ dazu. Ein Stein mehr im Spiel der Parteien um Mehrheiten im Gemeinderat. Machttechnisch ohne Belang ist zwar das Abschneiden des BZÖ, ein Einzug in das Parlament der zweitgrößten Stadt Österreichs hätte jedoch wohl zweifellos belebende Wirkung für die angeknackste Psyche der Orangen.
Entsprechend sprießen die Koalitionsspekulationen in Graz ähnlich wie im Bund: Da denkt Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) laut über den Reiz von Schwarz-Grün nach - und siehe da: Die Grünen sind, unter Bedingungen natürlich, nicht abgeneigt. An der FPÖ will Nagl, der laut Umfragen Platz eins weitgehend sicher hat, dagegen nicht anstreifen.
Warum auch, deren Wähler hat Nagl so weit wie möglich mit Worten und Taten umworben. Eine Koalition mit den polarisierenden Blauen verbaut hingegen, zumindest so lange man Alternativen hat, nur den Brückenschlag zu anderen.
Umgekehrt wollte SPÖ-Spitzenkandidat Walter Ferk in einem schwachen Moment die FPÖ nicht von seiner Bettkante stoßen, besann sich jedoch rechtzeitig eines besseren. Als allerletzter Trumpf im Poker um die Macht eignet sich die FPÖ aber dennoch. Dessen wird sich auch Nagl im Bedarfsfall entsinnen. Ferks Bürgermeister-Hoffnungen ruhen ganz auf einer Allianz mit Grünen und KPÖ.
Apropos KPÖ: Vor der fürchtet sich in Graz niemand mehr: Der leutselige Ernest Kaltenegger ist mittlerweile Landesrat.