Aufregung um informelle OECD-Liste. | Österreich kritisiert OECD scharf. | Angelsächsische Trusts im Visier. | Brüssel. Die Sprengfallen für das österreichische Bankgeheimnis sind noch nicht entschärft: Das zeigt die Vorabversion des EU-Standpunkts für den G20 Weltfinanzgipfel. Zwar fühlt sich Österreich von einer kritischen Formulierung im EU-Entwurf nicht betroffen, eine ungünstige Dynamik wird allerdings nicht ausgeschlossen: So könnte ein Doppelspiel des OECD-Generalsekretariats mit Großbritannien dem heimischen Finanzplatz schaden.
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Sanktionen gegen Oasen
Nach derzeitigem Stand sollen die EU-Staats- und Regierungschefs neben der Verdopplung der Nothilfemittel für den Internationalen Währungsfond (IWF) auf 500 Mrd. Dollar (386 Mrd. Euro) und der lückenlosen Regulierung aller Finanzmärkte auch den Schutz vor "nicht-transparenten, nicht-kooperativen und lose regulierten Jurisdiktionen, inklusive Off-Shore-Zentren" als EU-Position beschließen. Damit sind Finanzplätze gemeint, die losgelöst von den Ländern agieren, zu denen sie gehören - und meist wenig kontrolliert werden und einer geringen Besteuerung unterworfen sind. Diese sollen aufgelistet und ein Set von "geeigneten und abgestuften" Sanktionen erarbeitet werden.
Schon beim Treffen der Außenminister am Montag habe der Luxemburger Jean Asselborn jedoch eine Anpassung dieser Passage an die jüngsten Ereignisse verlangt, berichten Diplomaten. Schließlich haben sich neben den EU-Ländern Österreich und Luxemburg auch die Nicht-EU-Partner Schweiz, Liechtenstein, Andorra und Monaco letzte Woche zur Einhaltung von OECD-Standards in der Amtshilfe bei Steuerdelikten verpflichtet.
Österreich geht laut einem Sprecher von Finanzminister Josef Pröll zwar davon aus, dass die beiden EU-Länder von der Formulierung im EU-Standpunkt nicht erfasst sein können, weil sie sich gemäß geltendem EU-Recht verhalten. Österreich werde auch auf keiner offiziellen "Schwarzen Liste" der OECD als unkooperativ genannt. Kriterien für eine neue Liste seien nicht bekannt und schon gar nicht akkordiert.
OECD agiere skandalös
Ein "Skandal" sei daher das Vorgehen des OECD-Generalsekretariats, das über die Köpfe der Gründungsmitglieder Österreich, Luxemburg und Schweiz hinweg Daten für die Regierung in London aufbereitet habe. Der Schweizer "Tagesanzeiger" veröffentlichte diese informelle Liste von 46 Staaten oder Entitäten, die nur "unzureichenden Fortschritt bei der Umsetzung international anerkannter Steuer-Standards" erzielt hätten. Darunter sind außer den drei europäischen Ländern etwa Liberia, Panama und assoziierte britische Gebiete wie die Cayman Islands, die British Virgin Islands oder die Kanalinseln Jersey und Guernsey.
Diese liegen sogar vor Österreich, Luxemburg und der Schweiz, weil sie bereits Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD-Standard ausgehandelt haben - Österreich hat dies soeben erst angekündigt. Sorgen bereitet nun, dass die Liste aus dem Pariser Generalsekretariat als Grundlage für die Diskussionen der G20-Staats- und Regierungschefs beim Treffen in London dient, hieß es aus Prölls Büro. Die betroffenen EU-Länder hoffen, dass beim Weltfinanztreffen am 2. April keine wie immer geartete Liste erstellt wird.
Denn in Wahrheit ziele dies am wirklichen Problem vorbei, finden die Österreicher: Sie orten angelsächsische Trusts als das größere Übel. So sind laut einem Schweizer Expertenpapier US-Bundesstaaten wie Delaware, Montana und Nevada sowie die mit Großbritannien assoziierten Inseln Jersey, Guernsey, Isle of Man und die Londoner City selbst viel eher bevorzugte Steuerfluchtorte.
Großzügige Amtshilfeabkommen nach OECD-Standard seien dort wertlos, weil die Begünstigten Anonymität genießen und den Behörden schlicht unbekannt sind. Auch in Großbritannien selbst dürften Banken ihre Kunden "durch rudimentäre physische Unterlagen wie handschriftliche Notizen" dokumentieren. Britische Regierungsvertreter reagieren auf diese Anschuldigungen nicht - oder mit dem kargen Hinweis, es sei zu früh für detaillierte Regelungen. **