ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka im Interview.
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Wien. Reinhold Lopatka (55) ist der schwarze Stachel im Fleisch der Roten. Und das schon in etlichen Rollen. Für die SPÖ ist es kein Trost, dass er auch für die Blauen ein rotes Tuch ist. Er begann als Landesgeschäftsführer der steirischen ÖVP, wechselte dann nach Wien und zog die Fäden beim Wahlsieg Wolfgang Schüssels 2002. Unter Kanzler Alfred Gusenbauer war er SportStaatssekretär, mit Amtsantritt von Werner Faymann wechselte er als Staatssekretär ins Finanzministerium. Seit 2013 ist er Klubobmann der ÖVP.
Die "Wiener Zeitung" sprach mit dem Theologen und Juristen darüber, was dran ist an den Gerüchten, er sei der Strippenzieher in der Steiermark und arbeite überhaupt an einem fliegenden Wechsel hin zu Schwarz-Blau.
"Wiener Zeitung": Herr Klubobmann, wie geht es Ihnen nach der Entscheidung in der Steiermark?Reinhold Lopatka: Wie soll es mir schon gehen, wenn die ÖVP sechs von neun Landeshauptleuten im Land stellt? Ausgezeichnet!
Was war Ihre Rolle bei den Verhandlungen in der Steiermark?
Ich hatte überhaupt keine Rolle. Ich war bei den Sitzungen der ÖVP-Gremien dabei, in denen ich als einer der Stellvertreter von Landesparteiobmann Hermann Schützenhöfer Mitglied bin.
Ich frage, weil Sie in der ÖVP als einer gelten, der die schwarz-blaue Karte der ÖVP im Umgang mit der SPÖ sehr offensiv einsetzt.
Ich habe, jetzt bezogen auf die Steiermark, schon am ersten Tag nach der Wahl gesagt, was ich immer sage: Wenn zwei Parteien gleich stark sind, dann kann ich als ÖVP - bei einer Million Wähler und einem Abstand von 5000 Stimmen - nicht von vornherein sagen, dass wir unser Anrecht auf den Landeshauptmann verspielt hätten. In so einer Situation muss man in Verhandlungen eintreten. Und wer dann bereit ist, unser Programm und einen ÖVP-Landeshauptmann zu unterstützen, der kommt für mich prinzipiell als Partner infrage. In der Steiermark war das die SPÖ. Hätte sich die FPÖ auch so verhalten, warum sollte ich sie dann ausschließen? Die Wähler der FPÖ sind steirische Landesbürger wie die von SPÖ und ÖVP. Der Ausgangspunkt von Verhandlungen muss immer der Wählerwille sein.
In der SPÖ sagen jetzt manche, die ÖVP habe die Partei vor die Wahl gestellt: entweder Wahl eines ÖVP-lers zum Landeshauptmann oder Schwarz-Blau. Stimmt das?
Das ist absolut falsch. Die Herzlichkeit der Bilder vom Wechsel in der Steiermark beweist auch das Gegenteil. Und wenn ich den künftigen SPÖ-Chef Michael Schickhofer höre, dann ist er rundum mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden. Aber es gibt jetzt eben einen frustrierten Verteidigungsminister (Gerald Klug, SPÖ; Anm.), der auf Bundesebene zu scheitern droht und jetzt die Flucht in die Steiermark antreten wollte.
Wie ist Ihr Verhältnis zur Bundes-FPÖ und Heinz-Christian Strache?
In der Präsidiale, wo ich persönlich mit ihm zu tun habe, ist Strache ein korrekter und sachorientierter Klubobmann. Dass es inhaltliche Bereiche gibt, wo wir weit voneinander entfernt sind, ist offenkundig. Ich sehe die Zukunft Österreichs in einem starken Europa, also müssen wir alles tun, dass dieses Europa stark bleibt. Strache sieht das Projekt Europa ausschließlich negativ.
Zwei Mandatare des Team Stronach sind kürzlich zur ÖVP gewechselt, und es gibt Gerüchte, wonach noch weitere folgen könnten. Jetzt fehlen nur noch drei Stimmen für eine eigenständige schwarz-blaue Mehrheit im Nationalrat. Schließen Sie einen fliegenden Wechsel der ÖVP aus?
Ja, absolut. Diejenigen, die das behaupten, haben wirklich keine Ahnung, wie Politik tatsächlich funktioniert. Was, bitte, sollte die FPÖ dazu veranlassen, einen fliegenden Wechsel mit der ÖVP zu paktieren? Das muss mir erst einmal einer erklären. Die FPÖ kann dadurch nichts gewinnen. Punkt. Wer mich, politisch gesprochen, für so dumm hält, der beleidigt mich. Solche Gedanken zu haben, wäre völlig unsinnig, ich muss das so scharf formulieren.
Das mag so sein. Die Gegenthese könnte allerdings lauten: Selbst wenn die FPÖ bei den nächsten Wahlen, wann immer diese kommen, stärkste Partei werden sollte, dann würde sie erst recht keinen Partner finden, der Strache als Juniorpartner zum Kanzler machen will. So gesehen wäre ein fliegender Wechsel aus FP-Sicht nicht völlig absurd, gesetzt den Fall, die Blauen wollen unbedingt regieren.
Ja, aber hinter diesem Szenario steckt ein großer Denkfehler. Die jetzt zur ÖVP gewechselten Mandate nützen nach einer Wahl gar nichts. Für diese Legislaturperiode ist es natürlich sinnvoll, den ÖVP-Klub zu stärken. Und wenn ich einen Arzt wie Marcus Franz gewinnen kann, dem hunderte Patienten vertrauen, ist das gut; für einen Anwalt wie Georg Vetter gilt das Gleiche. Vetter hat 2008 als Liberaler Wahlwerbung für den ÖVP-Politiker Johannes Hahn gemacht. Ihn als Erzkonservativen hinzustellen, wie dies in manchen Medien geschieht, ist nicht in Ordnung.
Sie sind jetzt meiner Frage nach einem möglichen Argument aus FPÖ-Sicht für einen fliegenden Wechsel ausgewichen.
In Ihrem Szenario sind zu viele "Wenn". Selbst wenn die FPÖ der ÖVP nun entgegenkäme, dann müssten nach der Wahl die handelnden Akteure die gleichen sein, wie vor der Wahl, müsste es eine Mehrheit von Schwarz und Blau geben, und, und . . . Das ist alles rein theoretisch. Ich könnte fünf Szenarien zeichnen, in denen die ÖVP an einer Koalition mit Grünen und Neos bastelt. Eines wird immer übersehen: Die ÖVP stellt künftig in sechs Bundesländern Landeshauptleute, in keinem davon gibt es eine Koalition mit der FPÖ, dafür aber vier mit den Grünen, eine mit der SPÖ und eine Absolute. Dafür gibt es Rot-Blau im Burgenland. Ich wette, dass es in Österreich auf allen politischen Ebenen zusammengerechnet mindestens gleich viele rot-blaue Kooperationen gibt wie schwarz-blaue. Nur um ein Beispiel zu nennen: In meinem Bezirk in Friedberg wurde die ÖVP stärkste Partei, aber SPÖ und FPÖ wählten einen roten Bürgermeister.
Was muss die Regierung tun, um aus ihrem Tief herauszufinden?
Bestmöglich die notwendigen Reformen setzen, auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen. Das schweißt zusammen, schauen Sie nur in die Steiermark.
Und welche Reformen?
Wir müssen bei den großen Kostentreibern ansetzen, das sind die Pensionen und dann kommt der gesamte Verwaltungsbereich, Stichwort Doppelgleisigkeiten.
Und was ist mit der oft versprochenen Datenbank, wo sämtliche öffentliche Förderungen transparent aufgelistet werden?
Ja, die gehört hier dazu. Wir brauchen gerade bei den Sozialleistungen mehr Transparenz.
Sie zählen mit Vorliebe Bereiche auf, die der SPÖ wehtun.
Nein, die Förderdatenbank wird auch der ÖVP wehtun.
In der ÖVP brodelt es wegen der geplanten Konteneinsicht, hier legen sich Niederösterreicher, Steirer und Vorarlberger quer; die Wirtschaft wiederum lehnt die geplanten Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der Steuerreform ab. Wird es noch Änderung an diesem Gesetzespaket geben - und wenn ja, welche?
Das kann ich Ihnen heute noch nicht sagen. Sie haben einen wichtigen Punkt übersehen: Wir brauchen für den Beschluss der Konteneinsicht die Grünen, alle anderen Oppositionsparteien verweigern sich ja. Und die Grünen pochen kategorisch auf Änderungen an der Regierungsvorlage. Wenn wir diese Materie also mit Verfassungsmehrheit beschließen wollen, wird es zu Änderungen kommen, das weiß auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Aber aufgrund der bereits erfolgten Gespräche mit den Grünen bin ich zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden.
Die Koalition könnte die Gesetze einfach gesetzlich beschließen.
Ja, aber davon halte ich wenig bis gar nichts. Bei so einem zentralen Thema kann man nicht zulassen, dass ständig das Damoklesschwert einer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof darüber schwebt. Deshalb bin ich für einen Beschluss mit Verfassungsmehrheit.
Letzte Frage: Hält die Bundesregierung bis zum regulären Wahl-Termin im Herbst 2018?
Warum nicht? Es gibt kein schlagendes Argument dagegen. Die Herausforderungen sind riesig, aber sie sind bewältigbar.