Wer gesund ist, bleibt länger arbeitsfähig - doch auch wer länger arbeitet, bleibt gesund.
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Wien/Bregenz. Eine Krankenschwester, seit 30 Jahren im Dienst, hat chronische Kreuz- und Knieschmerzen. Sie arbeitet in einem Privatkrankenhaus, ein Jobwechsel kommt für sie nicht infrage. Heute bekommt sie Schmerztherapie, übernimmt keine Nachtdienste mehr, arbeitet nur noch im Team.
Diese Maßnahmen hat sie mit einer Steuergruppe erarbeitet, um trotz Krankheit weiterarbeiten zu können, um "arbeitsfähig" zu bleiben. Das Krankenhaus ist eines von 214 Unternehmen, die derzeit die Beratung "fit2work" des Instituts für Arbeitsfähigkeit in Anspruch nehmen. Das Programm unterstützt Firmen dabei, die Gesundheit von belasteten oder gefährdeten Mitarbeitern zu fördern. Auch das Vorarlberger Unternehmen "abo - Ausbildung, Beschäftigung, Oberland" nimmt das Beratungsangebot in Anspruch. "Wir beschäftigen vor allem Langzeitarbeitslose, die Mitarbeiter sind nur drei bis sechs Monate bei uns. Am Anfang habe ich mich schon gefragt, ob das Programm etwas bringt, wenn die Menschen nur kurz bei uns sind", sagt abo-Geschäftsführer Jürgen Marcabruni. Inzwischen stellt er sich diese Frage nicht mehr. "Wir haben sehr positive Rückmeldungen, die Identifikation mit dem Betrieb ist viel größer." Die Mitarbeiter fühlen sich wertgeschätzt, oft ist es das erste Mal in ihrem Erwerbsleben, dass ihre Gesundheit am Arbeitsplatz eine Rolle spielt. Ihnen steht eine Physiotherapeutin zur Seite, sie erhalten Ernährungstipps, und Kurse zum "richtigen Heben" werden regelmäßig angeboten. "Es ist aber eine tägliche Herausforderung für den Bereichsleiter. Wenn jemand Rückenschmerzen hat, muss er woanders eingesetzt werden", so Marcabruni. Obwohl das soziale Unternehmen immer schon auf die Gesundheit seiner Mitarbeiter bedacht war, sei hier "sehr viel Know-how von außen" gekommen.
"Betriebe müssen etwas tun"
Seit Jahrzehnten sinkt das Pensions-Antrittsalter, im Vorjahr konnte der Trend erstmals gestoppt werden. Derzeit gehen die Österreicher im Schnitt mit 58 Jahren in Pension. Gesetzliche Maßnahmen würden langsam zu greifen beginnen und dazu führen, dass Menschen länger in den Betrieben bleiben, sagt Irene Kloimüller vom Institut für Arbeitsfähigkeit. "Aber auf betrieblicher Seite muss etwas getan werden."
"Es ist möglich, bis 60, 65 arbeitsfähig zu bleiben - aber man muss etwas dafür tun", sagt auch ihre Kollegin Renate Czeskleba. Um die Arbeitsfähigkeit zu erhöhen, sei mehr notwendig als einzelne Projekte, erklären die Expertinnen. Es brauche ein Konzept, ein Managementsystem und eine Steuerungsgruppe, die Entscheidungen trifft und darauf achtet, dass diese auch umgesetzt werden. Und Kloimüller ergänzt: "Weiterbildung ist ein wesentlicher Schlüssel der Arbeitsfähigkeit."
Geht in Deutschland ein Arbeitnehmer sechs Wochen im Jahr in den Krankenstand, muss sich der Betrieb Lösungen überlegen. Wird der Mitarbeiter ohne diesen Prozess gekündigt, ist mit Sanktionen für das Unternehmen zu rechnen. Anders als in Deutschland gibt es in Österreich keine Strafen oder Belohnungen, wenn Betriebe Ältere weiter beschäftigen oder nicht, das Bonus-Malus-System wird von der Wirtschaft abgelehnt.
In Österreich gebe es auch keinen fließenden Übergang zwischen Job und Pension, kritisieren die Expertinnen. Von diesem "100 auf 0"-Prinzip halten sie wenig, besser als 40-Stunden-Arbeit und Vollzeit-Pension seien Teilzeitmodelle. Denn in Skandinavien habe sich gezeigt: Menschen, die länger erwerbstätig sind, sind gesünder, wenn sie in Pension gehen: "Wenn ich mit 55 Jahren noch gerne arbeite, werde ich mit 80 Jahren nicht mit dem Rollator daherkommen."
2014 ist die Arbeitslosenzahl bei Menschen über 50 Jahren um 12,5 Prozent gestiegen, inzwischen sind 99.324 Menschen betroffen. Dabei handelt es sich bei der Generation 55-plus um die größte Personalressource für Betriebe. Um sie länger im Erwerbsleben zu halten, sind laut den Expertinnen drei Dinge notwendig: flexiblerer Übergang von der Arbeit in die Pension, Ausbau von Anreizsystemen für Betriebe und eine Rehabilitation zur Wiedereingliederung.