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Wer mit wem zum Heiligen Vater?

Von Martyna Czarnowska

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Polen bereitet sich auf die Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. vor. Die Feierlichkeiten beschäftigten auch die Politik - und das auf höchster Ebene.


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22 Meter breit und 44 Meter hoch soll das Porträt auf der Kirchenfassade werden. Etliche neue Denkmäler werden errichtet. Und sogar in einem Bergwerk wird eine Ausstellung dem Mann gewidmet, der einigen jetzt schon als heilig gilt. Dabei geht es zunächst einmal um die Seligsprechung von Johannes Paul II. Am 1. Mai ist es soweit, und in Polen laufen die Vorbereitungen dafür auf Hochtouren.

Die ersten Pilger, die zu Fuß zu den Feierlichkeiten im Vatikan gehen wollen, sind bereits aufgebrochen. Auf dem Internet-Portal Facebook versuchen Geistliche, die Lehren des polnischen Papstes zu verbreiten. Medien schreiben über sich häufende Betrügereien falscher Stadtführer und Ticketverkäufer, die die nach Rom strömenden Gläubigen ausnehmen wollen.

All das könnte nun viele Polen, die dem Ereignis emotionsloser entgegenblicken, nur am Rande interessieren, auch wenn offiziell 95 Prozent von ihnen deklarieren, römisch-katholischen Glaubens zu sein. Doch die Feierlichkeiten beschäftigen ebenfalls die Politik des Landes - und das auf höchster Ebene.

Wer mit wem, lautete nämlich die Frage, die über mehrere Tage in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Mit wem sollte der polnische Präsident zur Seligsprechung durch Papst Benedikt XVI. fliegen? Bronislaw Komorowski stand vor der heiklen Aufgabe, eine Delegation zu einer religiösen Feier zusammenzustellen, die ihm innenpolitisch nicht schaden würde.

Es lag nahe, alle ehemaligen polnischen Präsidenten und Premiers nach 1989 einzuladen. Doch so tauchte auf der Liste ein Name auf, der gleich für Kontroversen sorgte: Wojciech Jaruzelski. Der Ex-General, der 1981 die Verhängung des Kriegsrechts verkündete, war wegen eines am runden Tisch 1989 ausgehandelten Kompromisses mit der Opposition mehrere Monate lang Staatsoberhaupt. Sollte nun der ehemalige Erste Sekretär der Polnischen Arbeiterpartei zur Seligsprechung eines Mannes der Kirche fahren, die in Zeiten des Sozialismus verfolgt war?

Die Präsidentschaftskanzlei war in der Bredouille. Dann tauchte auf einmal die Idee auf, wie Jaruzelski von der Delegation ausgeschlossen werden konnte: Er war kein vom Volk gewählter Präsident. Sondern ein von einem politischen Gremium bestimmter.

Schließlich beendete Jaruzelski selbst die Debatte. Er ließ ausrichten, dass er sowieso nicht nach Rom fahren wolle. Er möchte kein Vorwand sein, die Atmosphäre der Feiern zu stören. Außerdem sei er zu alt und krank für die Reise.

Einfacher machte es dem Präsidenten da ausgerechnet die oppositionelle Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) von Jaroslaw Kaczynski, die sich sonst gerne so manches politische Scharmützel mit der regierenden PO (Bürgerplattform) liefert, der Komorowski angehört. Ex-Premier Kaczynski will nicht mit dem aktuellen Staatsoberhaupt nach Rom fliegen. Ebenso werden PiS-Abgeordnete in der Maschine fehlen, die Parlamentsabgeordnete nach Italien bringt. Stattdessen wird eine Zugfahrt organisiert, an der auch Freunde und Angehörige teilnehmen sollen. Und der PiS-Vorsitzende Kaczynski werde mit den Menschen und nicht den VIPs reisen, teilte der Fraktionssprecher mit.

Die Emotionen, die die Seligsprechung hochgehen ließ, werden bald überschattet werden von anderen. Am 10. April jährt sich zum ersten Mal der Tag, an dem der damalige Präsident Polens, Lech Kaczynski, und 95 weitere Menschen bei einem Flugzeugabsturz starben. Die nächsten Gedenkfeiern und Debatten stehen an. Wie viel Zeit die polnische Politik da anderen Themen widmen wird - etwa der Übernahme des EU-Vorsitzes im Juli -, bleibt offen.